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Killerwelle

Titel: Killerwelle
Autoren: Clive Cussler
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sondern lediglich nichts Besseres mit dem Nachmittag anzufangen wussten. Schlimmer waren jedoch solche Städte wie Birmingham, derart heruntergekommen, dass dort so gut wie nie die Sonne schien. Und die Leute im Saal waren nur gekommen, um sich aufzuwärmen, ehe sie wieder hinausgingen, um Passanten um ein paar Cent anzuschnorren oder sich vor einer Suppenküche anzustellen. Er hatte zehn Teilnehmer gezählt, als er das Podium betrat, und nicht weniger als vierzehn Mäntel. Dazu stellte er sich eine ganze Reihe verrosteter Supermarkt-Einkaufswagen vor, die von allem möglichen Krempel überquellend auf dem Bibliotheksparkplatz standen.
    »›Ich habe nicht einmal die Hälfte dessen erzählt, was ich gesehen habe.–‹« Eine viel bessere Einleitung, als das Mikrofon mit Rotz zu bespucken, dachte Cantor reumütig. Trotzdem, er hatte seine Ziele, und man konnte nie wissen, vielleicht war die vermummte Frau im hinteren Teil des von Neonröhren erhellten Raums J. K. Rowling in Tarnkleidung. »Das waren die letzten Worte, die der berühmte venezianische Entdecker und Forscher Marco Polo auf seinem Totenbett von sich gab.
    Wir wissen aus seinem berühmten Buch, Die Wunder der Welt, das er Rustichello da Pisa diktierte, während beide in einem Gefängnis in Genua saßen, dass Polo zusammen mit seinem Vater Niccolò und seinem Onkel Maffeo« – die Namen kamen Cantor trotz seiner Kopfgrippe flüssig über die Lippen, da es bei weitem nicht das erste Mal war, dass er diesen Vortrag hielt – »viele unglaubliche Entdeckungen machte und die erstaunlichsten Dinge zu sehen bekam.«
    Im hinteren Teil des Raums entstand eine kurze Unruhe, als ein Neuankömmling aus dem wenig einladenden Lesesaal der Bibliothek hereinkam. Metallene Klappstühle knarrten und quietschten, während sich ein paar Zuhörer umdrehten, um zu sehen, wer da noch erschienen war, um sich den Vortrag anzuhören. Wahrscheinlich nahmen sie an, dass es ein obdachloser Kumpel vom Chamberlain Square war.
    Der Mann trug einen Kaschmirmantel, der fast bis auf den Fußboden reichte, und zwar über einem dunklen Anzug und einem dunklen Hemd mit ebenfalls dunkler Krawatte. Er war hochgewachsen und von massiger Statur. Mit einer Handbewegung entschuldigte er sich für sein verspätetes Erscheinen und suchte sich einen Sitzplatz in der hintersten Reihe, ehe Cantor etwas von seinem Gesicht erkennen konnte. Das sah ja vielversprechend aus, dachte der ständig am Rand einer Pleite entlangbalancierende Gelehrte. Wenigstens trug dieser Kerl Kleider, die nicht schon mehrmals ausrangiert worden waren.
    Cantor wartete lange genug, damit der Mann es sich auf seinem Stuhl bequem machen konnte. Wenn dies ein potentieller finanzieller Gönner war, dann könnte er auch gleich noch damit anfangen, ihm die Füße zu küssen.
    »Schon zu seiner Zeit entfachte Polos Reisebericht heftige Diskussionen. Die Menschen glaubten ganz einfach nicht, dass er all das gesehen und getan hatte, was er in seinem Buch schilderte. Sie konnten sich über ihr eigenes Vorurteil nicht hinwegsetzen, dass irgendwo noch eine andere Zivilisation existieren könnte, die den europäischen Staaten ebenbürtig war oder sie sogar noch übertraf. Später stieß man auf eine unübersehbare Auslassung. Einfach ausgedrückt hat er trotz seiner vielen Jahre in China und all dessen, was er über dieses ferne Land geschrieben hatte, nicht ein einziges Mal seine größte baumeisterliche Leistung, seine geradezu ikonenhafte Sehenswürdigkeit erwähnt.
    Sehen Sie, während er Rustichello da Pisa seinen ausführlichen Reisebericht diktierte, kam er zu keinem Zeitpunkt auf die Große Chinesische Mauer zu sprechen. Das war in etwa das Gleiche, als würde ein moderner Tourist berichten, er sei in London gewesen, ohne das Auge gesehen zu haben. Aber Moment – ich könnte mir schon vorstellen, dass dieses hässliche Riesenrad etwas ist, das ein kundiger Reisender lieber vergäße.« Cantor machte eine kurze Pause für amüsierte Lacher. Allerdings hörte er auch jetzt nicht mehr als ein müdes Husten. »Na ja, die Tatsache, dass er sich nicht über die Große Mauer äußerte, die ja nicht weit von Peking entfernt steht, wo Marco Polo sehr viel Zeit verbrachte, hatte zur Folge, dass seine Kritiker den Wahrheitsgehalt seines gesamten Berichts anzweifelten.
    Aber wenn die Schuld nun nicht beim Diktierenden, sondern bei dem zu suchen ist, dem diktiert wurde?« An dieser Stelle wollte er eigentlich ein Wortspiel einfügen und von dem
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