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Killerwelle

Titel: Killerwelle
Autoren: Clive Cussler
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PROLOG
OST-CHINA 1281 A. D.
    Dichter Nebel quoll aus dem Tal und breitete sich über die Berge ringsum aus. Getragen von einer leichten Brise erweckte der Dunst den Eindruck, als atmeten die Berge. Von den dichten Wäldern waren nur vage Formen und Silhouetten zu erkennen, keine einzelnen Bäume. Keinerlei Getier huschte über den dichten Teppich aus Laub und Tannennadeln, und auch Vogelgezwitscher war nicht zu hören. Eine gespenstische Stille herrschte. Sogar die Geräusche der Soldatenpferde gingen in der undurchdringlichen Dunkelheit unter. Das gelegentliche, gedämpfte Aufstampfen eines Hufs war alles, was ihre Anwesenheit verriet.
    Allmählich brannte die Sonne den Dunst weg, und wie etwas, das aus der Tiefe hochstieg, erschienen die obersten Teile der Burg aus dem Nebel, als schwebten sie losgelöst in der Luft. Die roten Ziegeldächer glänzten feucht. Als Nächstes tauchten die hohen Mauern auf, die die Stadt umgaben. Die Mauerzinnen waren so gleichmäßig geformt wie Drachenzähne. Aus der Ferne waren die Wächter, die auf den Mauern patrouillierten und leichte Speere lässig auf den Schultern trugen, deutlich zu erkennen. Sie wussten zwar, dass das Heer des Großen Khans in der Nähe lauerte, schienen jedoch darauf zu vertrauen, dass die Befestigungen der Stadt als Schutz ausreichten.
    Ein chinesisches Sprichwort besagte, ein Dorf ohne eine Mauer sei nichts anderes als ein Haus ohne Dach. Daher verfügte jede noch so kleine Ansiedlung über ein wehrhaftes Bollwerk aus Steinen oder zumindest aus hohen Palisaden. Belagerung und Gegenbelagerung waren die bevorzugte Kriegstaktik – und in über eintausend Jahren kämpferischer Auseinandersetzungen verfeinert worden.
    Vor der Eroberung Chinas hatten die Mongolen als leichte Kavallerie gekämpft, waren über die Steppen gezogen und hatten die Anzahl ihrer Feinde in blitzartigen Überfällen dezimiert. Aber sie übernahmen die chinesische Schlachtstrategie, wenn auch nur widerstrebend. Die Wochen und Monate und manchmal sogar Jahre, die nötig waren, um die Mauern einer befestigten Stadt zu schleifen, waren ihrem angeborenen Streben nach einem schnellen Sieg völlig zuwider. Ebenso wie der Einsatz von Sklaven, der dazu diente, unter dem tödlichen Pfeilregen, der von den Brustwehren kam, die Wassergräben mit Erdreich zu füllen und die Rammböcke zu bemannen.
    Wenn alles so verlief wie geplant – und die Sonne, die den Nebel vertrieb, weckte berechtigte Hoffnungen, dass genau dies geschähe –, würde an diesem Tag eine neue Strategie zur Anwendung kommen, die jede ummauerte Zitadelle zu einer tödlichen Falle machte, aus der es kein Entrinnen gab. Die wenigen Kriegsherren in der Region, die dem Khan noch keine Treue geschworen hatten, müssten mit schneller Vernichtung rechnen.
    Seit einer Woche harrte eine Armee von fünfhundert berittenen Kriegern und weiteren eintausend Fußsoldaten in den Wäldern jenseits der städtischen Felder und Äcker aus. Die Ernte war eingebracht, die Felder waren kahl und mit einem gelblichen Schimmer überzogen. Sie gaben den Bogenschützen innerhalb der Zitadelle die hervorragende Möglichkeit, jeden zu töten, der so närrisch war, sein Glück mit einem direkten Angriff zu versuchen. Nicht weniger wichtig war für die Verteidiger, dass sie über genügend Nahrung verfügten, um einer langen Belagerung standzuhalten. Falls der Winter anbrach, bevor die Mauern gefallen waren, würden sich die Mongolen nach Norden in ihre Hauptstadt zurückziehen und nicht vor Frühlingsbeginn zurückkehren.
    General Khenbish hatte vom Khan den Befehl erhalten, diese Stadt einzunehmen, bevor der erste Schnee das Dach seines Palastes überzuckerte. Obgleich er niemals die Ehre einer persönlichen Begegnung mit dem Khan erfahren hatte, würde er seinen Herrscher ebenso wenig enttäuschen wie seinen besten Freund. Er wünschte nur, dass der Große Führer nicht einen Abgesandten geschickt hätte, um den Kampf als Augenzeuge zu verfolgen. Und dazu auch noch einen derart hässlichen Mann mit fahler Haut und einer ausgeprägten Hakennase – außerdem hatte er den bösen Blick. Khenbish beneidete ihn allerdings um seinen Bart. Während er selbst sich mit einem herabhängenden Schnurrbart und einigen dünnen Strähnen an seinem Kinn zufriedengeben musste, wurde die untere Gesichtshälfte des Beobachters von dichten dunklen Locken verhüllt.
    Anders als bei anderen Belagerungen hatte General Khenbish weder Dutzende von Sturmleitern und Sturmböcken
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