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Killerwelle

Titel: Killerwelle
Autoren: Clive Cussler
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Reisenden mit Souvenirs in ihre Heimat zurück. Möbel, Kunstwerke, so gut wie alles, das sie in die Finger bekamen und das sie an die Lombardei oder die Toskana erinnerte. Eine spezielle Familie interessierte sich vor allem für Bücher und kehrte mit ganzen Koffern voll davon zurück, genug, um damit eine Bibliothek wie diese hier vom Boden bis zur Decke zu füllen. Einige der Bücher stammten aus dem Jahrhundert, bevor Polo geboren wurde. Diese Familie war es, die Rustichellos Werke schließlich erwarb.
    Gegen eine Gebühr durfte ich mich in Teilen der Bibliothek umsehen.« Fünfhundert Pfund für einen einzigen Nachmittag, erinnerte sich Cantor bitter. Die meisten seiner Erinnerungen waren in letzter Zeit eher bitter. Der derzeitige Besitzer der Bibliothek war ein ausgesprochener Mistkerl, der, nur weil er wusste, wie sehr sich Cantor einen ausgiebigen Blick in die Bibliothek wünschte, die Frechheit beging, sich am wissenschaftlichen Interesse eines dreißig Jahre alten Forschers zu bereichern.
    Cantor hatte gerade genug für einen einzigen Besuch zusammenkratzen können, aber es hatte immerhin ausgereicht. Und das war es, was er eigentlich heute und während der vergangenen Monate hier tat. Er hatte keinerlei Interesse, das Wissen von gelangweilten Witwen und Obdachlosen zu mehren. Er hoffte, einen Gönner zu finden, der ihm dabei helfen würde, seine weiteren Forschungen zu finanzieren. Der Eigentümer des Konvoluts hatte unmissverständlich erklärt, dass er nicht gewillt sei, es jemals zu verkaufen, aber er sei bereit, Cantor den Zutritt zu gestatten – für fünfhundert Pfund pro Tag.
    Der junge Akademiker war sicher, dass nach der Veröffentlichung seiner Forschungsergebnisse zunehmender Druck aus Historikerkreisen den Eigentümer dazu zwingen würde, wenn schon nicht das Konvolut in Form einer Schenkung abzugeben, so doch zumindest einer wichtigen Universität zu gestatten, die Echtheit von Rustichellos Werk festzustellen und auf diese Art und Weise Cantors Ruf zu festigen und ihm, wie er hoffte, gleichzeitig zu einem kleinen Vermögen zu verhelfen.
    »Der Text ist im typischen mittelalterlichen Französisch gehalten, neben dem Italienischen aus derselben Zeit mein Spezialgebiet. Ich konnte nur eine kurze Passage übersetzen, da ich den Text erst gegen Ende meines Besuchs in der Bibliothek fand, aber was ich zu lesen bekam, war einfach unglaublich. Es ist die Beschreibung einer Schlacht, der Marco Polo im Jahr 1281 als Zeuge beiwohnte und in deren Verlauf ein General namens Khenbish seine Feinde unter Verwendung von Schießpulver vernichtete, das Marco Polo noch nie auf diese Art und Weise im Einsatz gesehen hatte. Und zwar geschah dies mit Hilfe eines höchst bemerkenswerten Apparats, der sich eines besonderen Kristalls bediente, um Sonnenlicht zu einem konzentrierten Strahl zu bündeln, ähnlich wie bei einem modernen Laser.«
    Cantor hielt abermals inne. Der Mann im dunklen Anzug hatte sich erhoben und verließ den Nebenraum der Bibliothek, wobei sein langer Mantel wie ein Cape aus Obsidian um seine Füße flatterte. Cantor unterdrückte einen wütenden Fluch. Es war ihm nicht gelungen, den Haken zu setzen, und nun hatte er sogar den Fisch verscheucht. Niedergeschlagen starrte er in die unrasierten und ausdruckslosen Gesichter vor ihm. Welchen Sinn hatte es weiterzureden? Sie hatten doch ebenso wenig Lust, sich seinen monotonen Vortrag anzuhören, wie er Lust hatte, damit fortzufahren.
    »Na gut, vielen Dank. Gibt es noch irgendwelche Fragen?« Er war völlig verblüfft, als sich eine knochige Hand hob. Sie gehörte zu einer Frau mit einem völlig zerknitterten Gesicht, das an eine dieser Puppen erinnerte, die Kinder sich gelegentlich aus Nylonstrümpfen basteln. »Ja, bitte?«
    »Haben Sie einen Cent für mich?«
    Cantor raffte seine Aktentasche vom Rednerpult, warf sich den abgetragenen Regenmantel über den Arm und verließ das Podium, verfolgt von einem Chor heiseren Gelächters.
    Es war mittlerweile völlig dunkel geworden, als die Eingangstür der Bibliothek hinter ihm zufiel. Die weite Fläche des Chamberlain Square wurde auf einer Seite von der Beton gewordenen Monstrosität der Bibliothek begrenzt, auf der anderen Seite von dem dreistöckigen neoklassizistischen Gebäude des Rathauses. Und auf der dritten Seite von der Stadthalle, die an einen griechischen Tempel erinnerte. In der Mitte stand das Denkmal Joseph Chamberlains, der in dieser trostlosen Stadt irgendeine wichtige Rolle gespielt
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