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Schwaben-Wahn

Schwaben-Wahn

Titel: Schwaben-Wahn
Autoren: Klaus Wanninger
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war auf den Beifahrersitz gesunken – das Auto bis kurz vor die Uferkante hatte rollen lassen und dann unmittelbar davor herausgesprungen war. Sie waren durch den Wald geirrt, hatten irgendwo ein Taxi gefunden.
    Der Tod Wulfs sei ähnlich verlaufen. Sie hatten spätabends, lange nach dem Besuch Neundorfs bei Frau Herzog, den gerade von einem Flug zurückgekehrten Mann in Ludwigsburg aufgesucht und ihn zu einem Geständnis zwingen wollen. Wulf hatte alles abgestritten und die Schuld allein auf Karl Herzog geschoben. »Er wusste aus der Presse, dass mein Sohn tot war«, erklärte Emilie Herzog, »und deshalb glaubte er, völlig ungeschoren davonzukommen.«
    Mithilfe der Pistole hatten sie ihn gezwungen, den Bekennersatz zu schreiben, in sein Auto zu steigen und zum nicht weit entfernten Schloss Monrepos fahren lassen. »Wir wollten ihm zeigen, wie mein Sohn gestorben war und ihm Angst machen, damit er seine Tat endlich zugeben würde, aber er lästerte nur noch mehr und schob die Schuld auf Karl. Da drückte ich ab.«
    Was blieb, war die Übergabe der beiden Frauen an die Justiz und die Benachrichtigung der Staatsanwaltschaft. Ob man Emilie Herzog ihres hohen Alters wegen Haftverschonung zubilligen würde, mussten sie diesen Instanzen überlassen. Swetlana Camiszewicz würde bei einem gnädigen Richter ohnehin mit einer Bewährungsstrafe davonkommen.
    »Sie wollen behaupten, die beiden Morde hätten nichts, aber auch gar nichts mit der Erpressung zu tun?«, brüllte Koch ins Telefon, als Braig ihn nach mehreren vergeblichen Vermittlungsversuchen endlich erreicht hatte.
    »Genauso ist es. Unsere Unterlagen sind komplett. Wir haben sie gerade Ihrem Büro übermittelt.« Er ersparte sich weitere Kommentare, legte den Hörer auf den Apparat.
    »Den trifft heute noch der Schlag«, kommentierte Neundorf, »vor allem, seit er weiß, wie das Geld verschwand.«
    »Ihr habt geklärt, wie es ablief?«, fragte Braig überrascht.
    »Allerdings. Die haben Koch sauber ausgetrickst.«
    »Und? Wo lag der schwache Punkt?«
    »Sie haben sich als Polizisten verkleidet und eine Verkehrskontrolle simuliert. Gleichzeitig gaben sie per Handy Befehl, das Auto mit dem Geld so zu fahren, dass es von dieser Kontrolle gestoppt wurde. Sie ließen das Fahrzeug anhalten, zwangen den Fahrer, sich auszuweisen und den Inhalt des Wagens vorzuzeigen. Er musste das Handschuhfach vorne öffnen und einem der angeblichen Kollegen Einblick gewähren. Er wunderte sich noch, wie gründlich der alles untersuchte. Diesen Moment muss der andere falsche Beamte ausgenutzt haben, den Koffer hinten auszutauschen. Mit einem identischen, aber leeren Modell, das sie ja als Bedingung der Geldübergabe genau vorgeschrieben hatten. Jetzt ist klar, warum sie darauf von Anfang an so viel Wert legten.«
    »Ich dachte, der Fahrer des Geldautos war einer von uns.«
    »War er auch, aber was ändert das? Er kennt schließlich nicht alle Kollegen, die irgendwo im Land beschäftigt sind. Du etwa?«
    »Nein«, antwortete Braig, »natürlich nicht. Wo ist das passiert?«
    »Auf der Straße zwischen Esslingen und Stetten.«
    »Wie bitte?«
    »Du kennst die Gegend?«
    Braig war so überrascht, dass er nicht auf Neundorfs Frage hörte. Zwischen Esslingen und Stetten, überlegte er, dort, wo Rössle und er am Morgen von der jungen Kollegin aus Tübingen kontrolliert worden waren? »Wann war das?«, fragte er stattdessen.
    »Wann? Was weiß ich. Irgendwann heute Vormittag. Gegen neun Uhr, glaube ich. Schau im Protokoll nach, wenn du es genau wissen willst. Hauptsache, das Geld ist weg. Und kein Mensch weiß, wo die Erpresser die Uniformen und den Streifenwagen herhatten und um wen es sich bei den Typen handelt. Aber das ist auch egal. Wichtig ist nur, dass es Koch jetzt an den Kragen geht. Ich hoffe, das Geld bleibt verschwunden. Der Kerl braucht den Denkzettel, noch dazu, wo jetzt klar ist, dass die Erpresser nichts mit den Morden zu tun haben.«
    Braig nahm kaum mehr wahr, was sie noch äußerte, versuchte fieberhaft, sich in Erinnerung zu rufen, wann sie am Morgen die Polizeikontrolle passiert hatten. Gegen neun Uhr war der Koffer mit dem Geld ausgetauscht worden – war das nicht auch die Zeit, in der er mit Rössle dort vorbeigekommen war? Er hörte, wie sich seine Kollegin verabschiedete, winkte ihr geistesabwesend zu, blätterte in den Aufzeichnungen, die er sich über die Besichtigung des Waiblinger Tatortes gemacht hatte.
9.10 Uhr
hatte er als Termin seines Eintreffens notiert.
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