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Teufelsmond

Teufelsmond

Titel: Teufelsmond
Autoren: Ines Thorn
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    Erstes Kapitel
    NORDHESSEN IM JAHRE 1536
    «Das nordhessische Landvolk, mein lieber Bruder Abt, ist im Großen und Ganzen bis zum Ekel hässlich und abstoßend. Die Weibsleute sind die dreckigsten Gestalten, die ich je gesehen habe.» Der Monsignore schüttelte sich und verzog den sichelartigen Mund, der lange gelbe Zähne verdeckte. Der Abt kniff vor Freude die vom Wein rot geränderten Schweinsäuglein zusammen und kicherte: «Sprecht weiter, lieber Freund.» Er lehnte sich behaglich in den mit Schaffellen bedeckten Lehnstuhl zurück und faltete die feisten Finger über seinem Wanst. Mit einer Handbewegung bedeutete er einem einfachen Mönch, das Kohlebecken näher zu schieben.
    «Ihre Kleidung ist abscheulich. Die meisten gehen ganz in verwaschenem Schwarz und tragen die Röcke unter der Brust geschnürt, dass man gar keine Taille, wohl aber ungelenke Stampffüße bis an die Knie erblickt. Die groben Knöchel lassen an Schweinshaxen denken. Brrr!»
    Der Abt kicherte wieder und rieb sich die Hände. «Und die Männer? Monsignore, sagt, sind die Männer den Weibern ebenbürtig?»
    «Und ob, lieber Freund. Die Männer machen mit Grobschlächtigkeit wett, was ihnen an Wohlgestalt und Klugheit mangelt. Einmal habe ich sie nach getaner Arbeit essen sehen. Mich schaudert heute noch, wenn ich daran denke. Sie packen die zarten Hühner mit ihren schaufelgroßen Händen, schlagen ihre Zähne in das Fleisch wie hungrige Wölfe und reißen unter Schmatzen und Keuchen ganze Batzen davon heraus. Dabei laufen ihnen Fett und Blut über das Kinn, Knochensplitter verfangen sich in den wilden Bärten; sie wischen alles hernach mit dem Kittelärmel weg, schnäuzen sich eben. Sie greifen zu ihren Krügen und trinken das Bier in großen, gierigen Schlucken aus. Dann rülpsen und furzen sie und ziehen sich die quiekenden Weiber auf den Schoß.»
    «Schauerlich. Was Ihr da erzählt, klingt ganz schauerlich.» Der Abt rieb sich vergnügt die Hände und nahm sich einen Keks vom Tisch, den er betont manierlich in den Mund steckte.
    «Ihre Lebensart ist rau», fuhr der Monsignore fort und kostete ein Schlückchen Wein. «Halbrohes Fleisch und Branntwein, den man auch den Kindern gibt, sind ihre vorzüglichsten Nahrungsmittel.»
    «Gibt es auch Händel allerorten? Tragen sie die Messer locker im Schaft?»
    «Die da im tiefsten Knüllwald hocken, sind kein hochgewachsener, aber ein behänder Menschenschlag, die alle ungeheure Köpfe und Füße haben. Sie sind meistens blond und kraushaarig. Und ja, sie lassen eher die Fäuste als die Münder sprechen. Am besten meidet man sie, so gut man kann. Von der feinen Lebensart haben sie keine Vorstellung. Sie leben mehr nach der Art der Tiere, wild und ein bisschen verschlagen.»
    «Vorzüglich, ganz vorzüglich!» Der Abt klatschte in die Hände. «Genau das Richtige für Pater Fürchtegott. Weit weg von hier und so verdorben, dass er für den Rest seines Lebens damit beschäftigt sein dürfte.»
    «Vergesst dabei nicht, lieber Bruder Abt: Ihr schickt den Pater nicht in die Verbannung, sondern nur zeitweise fort aus Eurer unmittelbaren Umgebung. Auf ewig geht das nicht. Er hat ein Recht darauf, in einem Kloster zu leben. Für den Augenblick kann ich ihn Euch vom Halse halten. Auf Dauer müsst Ihr selbst eine Lösung finden. Der Meinung ist Euer Oheim im Übrigen auch. Ich kann nicht behaupten, dass ihn die Beschwerde des Paters amüsiert hat.»
    Der Monsignore hielt seinem Gegenüber die ausgestreckte Hand hin, und der Abt warf einen Beutel mit klingenden Münzen hinein. «Mein Oheim, der Bischof, ist aber doch einverstanden?»
    «Letztendlich ja, mein lieber Abt. In Euern Adern fließt das gleiche Blut. Wer, wenn nicht er, hätte Verständnis für Euern Hang zur Schönheit. Ich gebe zu, auch mir gefällt Euer Bettschatz. Wir Gottesmänner brauchen schließlich Freude, wie könnten wir den Menschen sonst die frohe Botschaft verkünden?» Der Monsignore schmatzte genüsslich, während der Abt bei der Erwähnung seines Bettschatzes die Stirn in Falten legte.
    «Nun denn, lassen wir ihn rufen, den untadeligen Pater Fürchtegott.»
    Der Monsignore nickte. «Vorher kann ich eine kleine Stärkung gut gebrauchen. Er ist nicht der Verträglichste, heißt es.» Er hielt einen Becher aus Silber empor, fein ziseliert, und deutete damit auf die Weinkanne.
    Der Abt versorgte den Monsignore mit Nachschub, vergaß auch den eigenen Becher nicht, dann schwang er eine Glocke und gab dem
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