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Schwaben-Wahn

Schwaben-Wahn

Titel: Schwaben-Wahn
Autoren: Klaus Wanninger
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»Das Wichtigste haben Sie verstanden, ja? Es sollte ein Ausflug werden und dann gaben sie ihr Drogen und fielen über sie her.«
    Braig schwieg betroffen, begann die Tragweite ihrer Schilderung zu begreifen. »Ihr Sohn und Wulf?«, fragte er dann.
    »Sie füllten ihr Schlaftabletten in ihr Getränk. Er gab es zu, in letzter Sekunde, kurz bevor ...« Sie verstummte, warf ihm einen bitter-wehklagenden Blick zu. »Eva war vierzehn. Sie vergewaltigten sie beide.«
    Er dachte an die Fotos, wusste, dass noch ein wichtiger Teil fehlte.
    »Zwei Wochen später sprang sie von einer Brücke in die Weichsel. Das Meer der Tränen hat sie verschlungen.«
    »Wann war das?«
    »Vor ein paar Monaten, ich weiß es nicht genau. Aber jetzt ist mir klar, warum er sich von Krakau wegversetzen ließ.«
    »Wie steht es mit polizeilichen Ermittlungen? Was Sie erzählen ...«
    »Polizeiliche Ermittlungen?« Sie schüttelte den Kopf. »Fragen Sie doch Swetlana. Das ist ein rechtsfreier Raum. Wie wollen sie beweisen, was geschah, ohne Zeugen, bei einer Polizei, die so wenig verdient, dass sie mit ein paar Scheinen aus dem reichen Westen schnell zu beruhigen ist? Ja, sie haben bezahlt, beide, dieser Wulf hat es gestanden, kurz bevor ...« Sie sah auf, winkte mit der Hand ab. »Tausend Euro, behauptete der Kerl, damit war die Sache erledigt.«
    »Wie kam Swetlana zu Ihnen?«
    »Sie kannte unsere Adresse. Als er ihr noch die Lügen von einer gemeinsamen Zukunft auftischte, zeigte er ihr Bilder von hier. Vor ein paar Tagen, am 1. Mai, fielen die Grenzen. Polen wurde in die EU aufgenommen. Swetlana nahm ihr ganzes Geld, setzte sich in den nächsten Zug und dann stand sie eines Abends vor mir. Ich wollte es zuerst nicht glauben, was sie erzählte, noch dazu mit ihrem miserablen Deutsch. Sie haben es ja selbst gehört. Aber dann begriff ich langsam, was das alles bedeutete, und stellte meinen Sohn zur Rede. Natürlich stritt er alles ab. Aber dann überraschte ich ihn mit ihr. Ich kenne meinen Sohn. Seine Reaktion verriet ihn. Er brauchte mir nichts zu erzählen, mir war alles klar. Und trotzdem wollte er nichts zugeben, log mir ins Gesicht. Swetlana sei eine Hure, sagte er, die für Geld alles mache.«
    »Die Wohnung in Hohenacker gehört Ihnen?«
    Emilie Herzog nickte. »Die Mieter sind gerade ausgezogen. Ich fuhr mit Swetlana hin, gab ihr die Schlüssel. Sie sollte hier bleiben, bis er endlich bereit war, die Wahrheit zu sagen. Dann griff er zu einem Trick. Er wollte sich aus dem Staub machen, die nächsten Wochen, Monate, ich weiß nicht, wie lange. Am Sonntagmittag überraschte ich ihn, wie er eine große Tasche packte. Ich war fassungslos, wollte es nicht glauben. Mein eigener Sohn, er wollte sich aus der Verantwortung stehlen. Nicht einen Finger rühren, um der Familie zu helfen, die er in so großes Unglück gestürzt hatte. Ich weiß nicht mehr, wie ich darauf kam, aber dann fiel mir die Pistole ein.«
    Braig sah überrascht auf. »Welche Pistole?«
    »Mein Mann war Jäger. Ich dachte, wir hätten nach seinem Tod alle Waffen verkauft. Aber damals, als Karl so bedroht wurde, gab er zu, dass er eine Pistole behalten hatte. Am Sonntag fiel sie mir wieder ein.«
    »Sie haben sie hier in der Wohnung?«
    »In meinem Schlafzimmer«, sagte sie.
    »Und dann?«
    »Ich holte sie, als er am Auto war. So einfach sollte er sich nicht davonstehlen. Er schaute ganz schön dumm, als ich ihm die Pistole vor die Brust hielt. Dann zwang ich ihn, zu Swetlana zu fahren.«
    »Nach Hohenacker.«
    »Ich hatte nicht vor, ihn zu erschießen, mein Gott, doch nicht meinen eigenen Sohn. Aber dann ... Er versuchte abzuhauen, einfach wegzufahren. Ich erwischte ihn gerade noch und dann fuhren wir zu dritt los, irgendwohin. Ich hielt ihm die Pistole an den Kopf und verlangte, dass er endlich die Wahrheit sagen und sich persönlich bei Swetlana entschuldigen sollte. Er schrie und tobte, lachte dann wie ein Irrer, mein Gott, das war doch nicht mein Sohn! Wir fuhren planlos durch die Gegend, hielten mal auf einem Parkplatz, dann auf einem anderen und irgendwann war es dunkel. Wie es passierte, was weiß ich ... Swetlana hockte hinten wie ein Häuflein Elend und stammelte vom Meer der Tränen, in dem ihre Schwester nach der schrecklichen Sache ertrunken war, und hielt die Kette, Evas Kette, in der Hand. Ich wurde so wütend und drohte ihn zu enterben, aber er lachte nur und machte sich über ihr Elend lustig. Und plötzlich begann er zu brüllen, jawohl, er und Wulf hätten es
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