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TS 64: Bluff der Jahrtausende

TS 64: Bluff der Jahrtausende

Titel: TS 64: Bluff der Jahrtausende
Autoren: Kurt Mahr
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1.
     
    „Wie lange wird das Himmlische Tor in Peking noch stehen?“
    Mrs. Howligan sah von dem Buch auf, in dem sie zu lesen vorgab und schaute zu ihrem Mann hinüber, der, den Rücken ihr zugewandt und mit hoch erhobenem Kopf vor dem Schreibtisch sitzend, zum Fenster hinausstarrte.
    „Fragst du mich?“ wollte sie wissen.
    Howligan antwortete nicht. Nach einer Weile murmelte er weiter:
    „Wenn man nur wüßte … die Kommunisten halten nicht viel von der kaiserlichen Erbschaft … vielleicht reißen sie das Ding in drei Jahren ab!“
    Er ließ die Hand klatschend auf die Platte des Schreibtisches sinken und drehte sich um.
    „Aber es hilft alles nichts“, sagte er laut. „Wir müssen es riskieren. Es gibt kein anderes Bauwerk im asiatischen Kulturkreis, dessen Lebenserwartung auch nur annähernd so groß ist. Abgesehen vielleicht von der chinesischen Mauer; aber das gibt keinen Effekt.“
    Mrs. Howligan stand auf, ging zum Schreibtisch hinüber und blieb neben ihrem Mann stehen.
    „Wovon sprichst du?“ fragte sie sanft und besorgt zugleich. „In den letzten Tagen redest du so viel vor dich hin. Was hast du?“
    Howligan sprang aus seinem Sessel in die Höhe. Die Bewegung war kraftvoll und elastisch; sie verriet nichts von den fünfundsechzig Jahren, die Howligan auf dem Rücken hatte, und sie zerstreute die Bedenken seiner Frau, er sei etwa krank.
    „Nachruhm!“ rief er, ohne Mrs. Howligan dabei anzusehen. „Die Welt dazu bringen, daß sie noch in Jahrtausenden von einem spricht! Zehn, zwanzig, dreißig Jahrhunderte vergehen lassen und dann plötzlich wieder in aller Leute Munde sein. – Ist das nicht eine großartige Idee, Alice?“
    Sie legte ihm die Hand auf die Schulter.
    „Immer mit der Ruhe, Bill“, redete sie ihm zu. „Wie willst du das fertigbringen?“
    Er drehte sich um.
    „Du glaubst mir nicht, daß ich das kann? Ich will’s dir zeigen!“
    „Du hast …“, sie zögerte.
    „Ich habe in der vergangenen Nacht nicht geschlafen, wolltest du sagen“, dröhnte er. „Ich sollte mich erst einmal hinlegen und mich ein bißchen ausruhen, wolltest du sagen. Nein, mein Kind! Jetzt geht’s an die Arbeit!“
    Mit einem mächtigen Schritt kam er zurück, schob sie ziemlich grob beiseite und setzte sich wieder hinter seinen Schreibtisch.
    „Was willst du tun, um Gottes willen?“ murmelte Mrs. Howligan.
    Howligan nahm einen Zettel und zeichnete auf ihn mit fester Hand ein paar Linien, Kästchen und Kreise.
    „Eine Bombe machen“, antwortete er, „die am 25. Juli 3966 explodiert. Nachmittags um 15:35, wenn es geht … aber ich glaube, so genau kann ich es nicht vorausbestimmen.“
    Es war gut, daß er seiner Frau wieder den Rücken zuwandte. Denn sonst hätte er an ihren Augen vielleicht ablesen können, was sie von seinem Geisteszustand hielt.
    „Das … das ist in genau zweitausend Jahren“, murmelte sie.
    Aber Howligan war schon wieder mitten in der Arbeit und gab keine Antwort.
     
    *
     
    Howligan Nuclear Instruments war eine kleine, aber bekannte Firma. Vor allen Dingen war sie die einzige, die Halbleiterzähler mit Auflösezeiten von weniger als einer Nanosekunde bauen konnte. Die Halbleiterzähler waren Howligans eigenes Patent. Das Vermögen, das er mit Hilfe dieses Patents innerhalb zweier Jahre sich erworben hatte, schätzten Eingeweihte auf fünfzehn Millionen Dollar.
    Aber das war nicht eigentlich das Wichtige. Das Wichtige war, daß Howligan und seine Firma auf dem Gebiet der Kernphysik als Kapazität anerkannt waren und daß die Atomic Energy Commission keine Einwände gegen die Lieferung von zehn Gramm Nickel-63, das Gramm zu viereinhalbtausend Dollar, aus dem Oak Ridge National Laboratory an Howligan Nuclear Instruments erhob.
    Er brauche, sagte Howligan, das kostbare Nickel-Isotop für Experimente mit neuartigen Zählgeräten. Das klang glaubhaft, denn Ni63 ist ein radioaktives Isotop mit extrem niedrigen Beta-Energien ohne die oftmals störende Gamma-Strahlung.
    Howligan bekam also ein Stück Nickeldraht, das zu garantiert 40 Prozent aus Ni63 bestand. Die Leute in Oak Ridge hatten reines Ni62 in ihrem Maximum-Flux Reactor bestrahlt.
    Ni63 zerfällt mit einer Halbwertszeit von 125 Jahren zu Kupfer-63. Ein aus Ni63 bestehender elektrischer Widerstand wird seinen Wert also im Laufe der Zeit ändern, und zwar verringern. Es ist nicht schwer, eine elektronische Schaltung zu bauen, deren wichtigste Teile ein Ni63-Widerstand und eine Glimmröhre sind. Im Laufe derJahrzehnte,
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