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TS 64: Bluff der Jahrtausende

TS 64: Bluff der Jahrtausende

Titel: TS 64: Bluff der Jahrtausende
Autoren: Kurt Mahr
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Jahrhunderte verringert sich der Spannungsabfall über den Widerstand, im selben Maße wächst die Spannung zwischen Anode und Kathode der Röhre. Bis eines Tages der Punkt erreicht ist, an dem die Röhre zündet. Ein Spannungsimpuls wird vom Anodenwiderstand abgenommen, umgekehrt, verstärkt und auf eine Funkenstrecke geführt. Die Funkenstrecke kann zum Beispiel mitten in einer Handvoll TNT liegen.
    Die Zeitspanne, innerhalb deren die Leitfähigkeit eines ursprünglich aus Ni63 plus Ni62 bestehenden Widerstandes durch die Umwandlung des Ni63 in Cu63 den kritischen Wert erreicht, läßt sich theoretisch bis auf die Hundertstelsekunde genau ausrechnen. Die Zündspanne einer Glimmlampe ist jedoch gewöhnlich nur bis auf ein paar Volt genau bekannt.
    Deswegen erlebte Howligan, als er den Zeitpunkt der Explosion zu errechnen versuchte, eine gewisse Enttäuschung: er vermochte ihn nicht besser als auf zwei Jahrzehnte genau zu bestimmen.
    Irgendwann zwischen 3956 und 3976 würde die Bombe explodieren – oder vielmehr würden die fünf Bomben explodieren, die Mr. Howligan insgesamt mit seiner Langzeit-Zündung zu versehen gedachte.
     
    *
     
    Über die Dinge, die Howligan in diesem Zusammenhang trieb, bewahrte er kompromißloses Stillschweigen.
    Daß niemand von seinen Plänen erfuhr, daran lag Mr. Howligan. Denn er war – abgesehen von dem Spleen, den der Wunsch, späteren Zeitgenossen bekannt zu sein, ohne Zweifel bildete – viel zu intelligent, als daß er übersehen hätte, daß seine Machenschaften in der Epoche, für die sie bestimmt waren, unter Umständen recht beträchtliche Verwirrung, ja, sogar einen Krieg hervorrufen mochten. Wenigstens war es das, wovon Mr. Howligan gerne träumte. Weil aber jeder, der nicht von demselben Spleen besessen war wie Howligan, gegen derartige Pläne moralische und auch andere Einwände erhoben hätte – deswegen behielt Howligan die Sache für sich.
    Das war der einzige Tropfen Wermut im Wein seiner Begeisterung: denn auch Howligan war keiner, der sich nicht von seiner Umwelt gerne hätte bestätigen lassen, daß er ein Genie sei.
     
    *
     
    Angesichts der besonderen politischen Situation, in der sich die Chinesen zu dieser Zeit der übrigen Welt gegenüber befanden, kostete es Howligan zunächst ein Heidengeld, überhaupt nach China hineingelassen zu werden und seine Spezialschaltung vor den scharfen Augen der Zollbeamten zu verbergen.
    Das Dreifache kostete es ihn, soviel TNT zu besorgen, wie er für seinen Zweck brauchte, und schließlich noch einmal das Zehnfache, um die Wachen am Himmlischen Tor in Peking so zu bestechen, daß sie ihn an einer Säule für eine halbe Stunde herumarbeiten ließen.
    Außer Geld verschlang die Sache auch Zeit. Howligan war anderthalb Jahre lang unterwegs, um seine erste Bombe in einer Säule des Himmlischen Tores unterzubringen.
    Der Rest war zwar einfacher, aber darum noch lange nicht billiger. Howligan bekam von der Aluminium Ore Limited die Erlaubnis, auf dem von ihr erworbenen Gelände in den Bergen von Colorado fünf Versuchsbohrungen vorzunehmen. Die Aluminium-Ore-Leute sagten zwar:
    „Wir sind ganz genau darüber informiert, wie weit unsere Bauxit-Vorkommen reichen, Mr. Howligan. Sie können uns keine neuen Informationen liefern.“
    Aber Howligan gebärdete sich als alter, starrköpfiger Mann und bestand auf seinen Bohrungen.
    Daß die Bauxit-Vorkommen in Colorado so reichhaltig waren wie keine anderen auf der ganzen Welt, das wußte Mr. Howligan seit einiger Zeit mindestens ebensogut wie die Aluminium-Ore-Leute.
    Howligan rechnete damit, daß das Colorado-Vorkommen noch in zweitausend Jahren abbaufähig sein werde – vorausgesetzt natürlich, daß dann überhaupt noch jemand Wert auf Aluminium legte. Aber immerhin war Aluminium sicherer als Eisen. Das Risiko, daß die späte Zukunft Howligans „Hinterlassenschaft“ nicht auffinden würde, war in einem Aluminium-Bergwerk am geringsten.
    Howligan führte die Bohrungen bis auf die Tiefe der zukünftigen Bergwerksstollen. Dann deponierte er in vieren von ihnen die übrigen Zeitbomben – mit geringerer TNT-Ladung als in Peking; denn diese Bomben hatten nur die Aufgabe, die Menschen aufmerksam zu machen – und in der fünften ein umfangreiches Paket, dessen Inhalt auch die Ingenieure, die die Bohrung leiteten, nicht zu sehen bekamen.
    Hinterher wurden die Bohrlöcher übrigens mit einem großen Aufwand an Sorgfalt wieder zugeschüttet.
     
    *
     
    Die Bohrungen und alles, was
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