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Was Soll Ich Tun

Was Soll Ich Tun

Titel: Was Soll Ich Tun
Autoren: Anselm Gruen
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EINLEITUNG
    Täglich bekomme ich Briefe, in denen Menschen ihre Probleme schildern. Sie wollen, dass ich ihnen eine Antwort gebe. Sie wollen wissen, was sie tun sollen, ganz praktisch. Sie fragen nach Sinn und suchen Hilfe und Orientierung in konkreten Alltagsproblemen. Sie möchten von mir nicht die Lösung ihrer Probleme. Aber sie möchten Denkanstöße haben, damit sie selbst die Lösung finden. Von den vielen Fragen zu schließen, die ich bekomme und die täglich in den Redaktionen von Illustrierten eintreffen, kann man vermuten, dass heute die Orientierungslosigkeit größer geworden ist. Das gilt sicher nicht nur für Einzelne. Manager, die ihre Unternehmen an schnelle Veränderungen im Markt anpassen müssen, holen sich den Rat von Experten ebenso wie Politiker sich in schwierigen Sachfragen durch wissenschaftliche Institute beraten lassen. Es gibt längst nicht nur die „klassischen“ Erziehungs- oder Eheberater. Ob Personalberater oder Kundenberater, Stilberater oder Ernährungsberater, Versicherungsberater oder Vermögensberater – Berater haben Konjunktur. Beratung für nahezu alle Lebensbereiche ist inzwischen zum profitablen Dienstleistungsgewerbe geworden und Soziologen haben dafür den Begriff der „Beratungsgesellschaft“ geprägt.
    Das Leben ist unsicherer geworden, die Biographien oder Entscheidungen von Menschen sind nicht mehr durch Traditionen oder andere Vorgaben bestimmt. Die Welt als ganze ist riskanter, nicht mehr eindeutig und übersichtlich. Der Einzelne wird in der Folgedavon immer mehr zum individuellen Gestalter des eigenen Lebens. Die Menschen geraten, so hat es ein Psychologe beschrieben, immer mehr in so etwas wie ein Labyrinth der Selbstverunsicherung, Selbstbefragung und Selbstvergewisserung hinein. Und bei vielen ist das Bedürfnis groß, aus diesem Labyrinth herauszufinden und andere Menschen zu fragen, wie das Leben gelingen kann und was man in einer konkreten Situation tun soll. Sie sind, auf sich allein gestellt, von ihren Schwierigkeiten so in Beschlag genommen, dass sie sie nicht richtig einordnen können in das Ganze des Lebens.
    Was sollen wir tun? Diese Frage, die hinter der Suche nach Rat und Hilfe steht, ist allerdings auch nichts Neues. Sie ist eine uralte menschliche Frage und hat schon die griechischen Philosophen bewegt. Es war neben der Frage „Wer bin ich? Was ist das Sein?“ die Grundfrage, auf die sie Antwort geben wollten. Der Evangelist Lukas lässt die Leute, die zu Johannes dem Täufer kommen, diese Frage dreimal stellen. Und als Petrus an Pfingsten predigt, trifft es die Zuhörer mitten ins Herz und sie fragen Petrus: „Was sollen wir tun?“ (Apg 2,37) Es ist also eine Frage, die wir immer wieder stellen, wenn wir ratlos sind, wenn wir nicht weiterwissen und auch, wenn wir von etwas sehr berührt werden. Dann fragen wir, wie wir mit unserem Leben auf diese oder jene tiefe Erfahrung antworten sollen.
    Wenn ich an die griechische Philosophie z.B. eines Sokrates denke, dann bekommt die Frage nach dem rechten Tun für mich etwas Sympathisches. Aber wenn ich die Frage isoliert betrachte, dann taucht in mir die Angst auf, sie sei zu moralisierend.
    Von meinem spirituellen und psychologischen Ansatz her ist es erst einmal wichtig, zu fragen: Wer ich bin? Was macht das Geheimnis meines Menschseins und meiner Erlösung aus? Dann erst wird die Frage nach dem Tun wichtig. Das Tun muss aus einer neuen Erfahrung fließen.
    Zum andern wehrt sich in mir etwas gegen diese Frage „Was soll ich tun?“, weil ich damit allzu einfache Patentrezepte assoziiere, die uns in zahlreichen Ratgeberbüchern gegeben werden. Auf wohlfeile Ratschläge verzichten wir lieber. Und zudem sind Ratschläge, wie schon die Sprache sagt, oft Schläge, die uns gegeben werden.
    Das Sprichwort sagt: „Guter Rat ist teuer.“ Ich will mich also hüten, in diesem Buch billige Ratschläge zu geben: Tipps, die wie ein frommes Pflaster auf die Not des Fragenden geklebt werden oder wie ein Rezept klingen, das ich nur anzuwenden brauche, um ein bestimmtes Ergebnis zu erzielen.
    Ein finnisches Sprichwort sagt vom Rat: „Guter Rat ist wie Schnee, je leiser er fällt, desto länger bleibt er liegen.“ Dieser Satz gefällt mir gut. In diesem Sinn also möchte ich eher leise Antworten auf die Fragen geben, in der Hoffnung, dass das Gesagte länger liegen bleiben und in der Seele der Leser und Leserinnen Wirkung entfalten kann.
    Die deutsche Sprache ist voller Weisheit. Sie spricht in einem positiven
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