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Opus 01 - Das verbotene Buch

Titel: Opus 01 - Das verbotene Buch
Autoren: Andreas Gößling
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schwerfällige zentrale Zensurbehörde ist der sprunghaft steigenden Flut bereits gedruckter oder zum Druck vorgesehener Schriften Ende des 15. Jahrhunderts nicht einmal mehr annähernd gewachsen. Notgedrungen beginnt der Vatikan daher, das Zensurrecht auf externe Institutionen oder untergeordnete Kirchenbehörden zu verlagern.
    Erstmals 1479 erhält die Universität Köln das zweifelhafte »Privileg«, im Namen der Kirche den Buchdruck zu zensieren. Sechs Jahre später setzt der Erzbischof von Mainz – der Geburtsstätte des europäischen modernen Buchdrucks – eine Zensurkommission ein: Sie soll fortan alle Bücher vorzensieren, die zur Übersetzung ins Deutsche vorgesehen sind, alle bereits gedruckten Bücher im gesamten Bistum kontrollieren und sämtliche »ketzerischen« Druckwerke vernichten. Und derselbe Papst InnozenzVIII., der 1484 zur systematischen Hexenverfolgung aufgerufen hat, erlässt drei Jahre darauf ein im gesamten Heiligen Römischen Reich rechtsverbindliches Zensurdekret. Darin werden die Buchdrucker verpflichtet, alle zum Druck vorgesehenen Schriften vorher der Zensurbehörde vorzulegen. Außerdem sollen die Zensoren auch rückwirkend alle bereits erschienenen Bücher prüfen. Jegliche Schriftwerke, die »dem rechtgläubigen Dogma entgegengesetzt, gottlos oder Ärgernis erregend« seien, sollen verbrannt werden, und die Drucker, die derart schädliche Schriften in Umlauf gebracht haben, sind zur Rechenschaft zu ziehen.
    In den folgenden Jahren wird dieses Zensursystem immer weiter verschärft und verfeinert. Papst Leo X. legt 1515 fest, dass auf der ersten Seite jedes Druckwerks eine behördliche Druckgenehmigung aufgeführt sein muss – fehlt diese, so ist das Buch als verboten anzusehen und Verfasser, Drucker und Leser sind entsprechend zu bestrafen. Alarmiert ist der Vatikan nicht zuletzt durch die reißende Nachfrage nach den ketzerischen Schriften Martin Luthers – die ersten Bestseller der Gutenberg-Ära. Durch seinen Sonderbeauftragten bringt der Papst den deutschen Kaiser Karl IV. dazu, in das Wormser Edikt von 1521 eine Passage einzufügen, die für Medienhistoriker den Beginn der Buchzensur in Deutschland markiert. Der Passus richtet sich dem Wortlaut nach ausschließlich gegen Luthers Schriften, die künftig niemand mehr »kaufe, verkaufe, lese, behalte, abschreibe, drucke oder abschreiben oder drucken lasse« und die, soweit dies bereits geschehen sei, »mit dem Feuer zu verbrennen und auf diese Weise gänzlich abzutun, zu vernichten und zu vertilgen« seien. Aber das Edikt bildet nur den Anfang einer endlosen Reihe von allgemeinen kaiserlichen Zensurbeschlüssen und Reichspolizeiordnungen, die parallel zu den kirchlichen Zensurbullen während der folgenden Jahrzehnte erlassen werden.
    Der wachsende Prüfungsaufwand macht es erforderlich, dass immer mehr Institutionen mit dem »Zensurrecht« ausgestattetwerden. Neben Universitäten und Bischofsbehörden erhalten auch die Räte der größeren Städte das »Privileg«, Zensur auszuüben. Dem Senat von Nürnberg als der größten und mächtigsten deutschen Reichsstadt mit ihren zahlreichen Druckerwerkstätten kommt hierbei durch kaiserliches Edikt von 1524 besonderes Gewicht zu: Schriftwerke, deren Druck und Verbreitung die Nürnberger Zensur untersagt, sind automatisch im gesamten Kaiserreich verboten.
    Damit erhält die Nürnberger Prüfbehörde indirekt den Rang eines »Reichsbuchzensors«, wie dies etwa Paracelsus mit seiner Schrift gegen das Guajakholz zu spüren bekam. Im Roman wird daraus die kaiserliche Zensurbehörde mit Sitz in Nürnberg, die es so um 1500 nicht gegeben hat – oder genauer gesagt: nicht als reale Behörde mit zentralem Archiv und Beamtenapparat, jedoch dem Geist der kaiserlichen Edikte und der tatsächlichen Wirkung nach.
Hexen- und Ketzerjagd in Franken
    Nürnberg war bereits im 14. Jahrhundert eines der Zentren vatikanischer Ketzerjagd in Deutschland und Mitteleuropa. Von 1332 bis zum Ende des Jahrhunderts fanden zahlreiche große Inquisitionsprozesse in Nürnberg statt, die sich insbesondere gegen Waldenser, Beginen und Begarden richteten – Vorläufer der protestantischen Kirche, die der Vatikan als Häretiker verdammte. Papst Clemens VI. ernannte 1348 eigens einen Großinquisitor für Deutschland, der zahlreiche deutsche Dominikanermönche als Regionalinquisitoren einsetzte – unter anderem aus dem Kloster Bamberg.
    Mit der päpstlichen »Hexenbulle« von 1484 gewinnt die kirchliche Menschenjagd
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