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Opus 01 - Das verbotene Buch

Titel: Opus 01 - Das verbotene Buch
Autoren: Andreas Gößling
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Pentagramm.
    Einmal hatte ihm Kronus ganz beiläufig erklärt, dass es mächtige magische Dinge seien, die seit Jahrtausenden verwendet würden, um Tote zum Leben zu erwecken oder Dämonen zu beschwören. Und auch weil er diese Zaubersachen besaß, glaubte Amos keinen Augenblick lang, dass Kronus ihm nur vom Gesicht abgelesen hatte, was vorhin geschehen war. Er besaß übernatürliche Kräfte, das stand für Amos ganz und gar fest. Kronus verfügte über die Gabe, mit seinem Geist an weit entfernte Orte zu reisen, auch wenn sein Körper seit Jahren und Jahrzehnten an dieses abgelegene Gehöft gefesselt war.
    »Schau, hier.« Kronus deutete auf den halb beschriebenen Bogen. »Lies das – aber nur die Überschrift.« Mit seiner runzligen Rechten verdeckte er den Absatz, den er darunter bereits geschrieben hatte. »Du erinnerst dich doch?« Er sah Amos bedeutungsvoll an.
    »Als ob ich jemals eines Eurer Worte vergessen könnte.« Amos beugte sich über das Schriftstück. Während er die in Schmucklettern ausgeführte Titelzeile entzifferte, begann sein Herz hastig zu klopfen.
»Vom Fährmann, der stromaufwärts fuhr.«
Er musste sich am Pult festhalten, so schwindlig fühlte er sich mit einem Mal. »Das heißt, Ihr habt mit der vierten Geschichte begonnen, Herr?«
    »Mit der vierten und letzten«, bestätigte Kronus. »Wenn mich die Kraft nicht vorher verlässt, hoffe ich
Das Buch der Geister
in einem Monat abzuschließen.« Er gab dem Jungen einen Wink,ihm in das hintere Zimmer vorauszugehen. »Warte dort einen Augenblick. Ich hole nur noch den Schlüssel für den Bücherschrank.«
    Vorn in der Schreibstube kramte Kronus umständlich nach dem Schlüssel. Währenddessen setzte sich Amos im Hinterzimmer auf einen Schemel und dachte an den Zusammenstoß, mit dem dieser Tag für ihn begonnen hatte.
2
    W
ie immer montags
war Amos noch vor dem ersten Sonnenstrahl erwacht. Er war aufgestanden, hatte Wams und Hosen angezogen und seinen Gürtel mit dem Kurzschwert umgelegt. Leise hatte er seine Kammertür geöffnet und mit angehaltenem Atem gelauscht, ehe er sich seinen Weg zu bahnen begann.
    Zuerst durch den düsteren Burgsaal auf die eisenbeschlagene Tür zu, die vom Palas direkt zum Hof hinaus führte. Überall hatten schlafende Männer herumgelegen, auf Holzbänken, Strohsäcken oder auf dem nackten Steinboden. Keinesfalls durfte er einen von ihnen aufwecken, denn sie wussten ganz genau, wohin er sich montags in aller Frühe immer davonstahl – und vor allem wussten sie, wie wenig Ritter Heribert von diesen Ausflügen seines Neffen hielt. Wenn sie Alarm schlugen, würde es wieder endlose Wortwechsel mit dem Onkel geben.
    So leise wie möglich hatte Amos die gewaltige Eichentür aufgedrückt. Der Himmel über dem Burghof begann sich schon hellgrau zu verfärben. Die ersten Vögel zwitscherten von den Zinnen hinab. Obwohl der Tag kaum erst angebrochen war, fühlte sich die Luft bereits wieder staubig und warm an.
    Er lief quer über den Burghof, auf die Wache zu, ein muffiges Gewölbe neben dem Ostturm, das Tag und Nacht mit zwei Wächtern besetzt war: Direkt dahinter befand sich der schmale Durchlass nach draußen. Amos wollte sich eben auf Zehenspitzen vorbeidrücken,als die Tür zur Wache aufging und eine hünenhafte Gestalt nach draußen trat.
    »Wohin so früh, junger Herr?« Hauptmann Höttsche hängte die Daumen in den Gürtel ein, der sich um seinen beachtlichen Bauch spannte. Sein Bart war pechschwarz und mit silbernen Fäden durchzogen. Die Arkebuse trug er an einem Riemen auf dem Rücken, doch auch ohne ein solches gewaltiges Gewehr hätte Höttsche Sorgass, Ritter Heriberts treuester Kampfgefährte, furchterregend ausgesehen. Er war anderthalb Köpfe größer und gewiss dreimal so schwer wie Amos. Auf seiner Stirn, genau über der Nase, prangte ein rotes Narben-X – Andenken an einen Kampf, der Höttsche fast das Leben gekostet hätte. Und der jedes Mal, wenn der Hauptmann davon erzählte, vollkommen anders ablief als in sämtlichen früheren Versionen.
    »Zu Kronus, es ist ja Montag«, sagte Amos und wollte an Höttsche vorbei zum Durchlass gehen.
    Doch der Hauptmann legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Dein Onkel will es nicht länger leiden«, brummte er. »Du sollst heute mit uns gegen die Böhmischen ziehen.«
    Amos erschrak. Vergeblich suchte er in Höttsches Gesicht nach einem Zeichen, dass ihn der Hauptmann zum Besten hielt. »Warum sagt mir der Onkel das nicht selbst?«, fragte er. »Wieso schickt
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