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Unter Deutschen

Unter Deutschen

Titel: Unter Deutschen
Autoren: J Kennedy
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Geleitwort
    Von Egon Bahr
    Als Präsident Kennedy am 26. Juni 1963 in Berlin einschwebte, hatte im Schöneberger Rathaus niemand eine Ahnung, welche Triumphe ihm der Tag bringen würde. Wir wussten, dass der Besuch keine Selbstverständlichkeit war. De Gaulle hatte sich geweigert, einen Ort zu »besuchen«, in dem Frankreich souveräne Rechte hatte und zusammen mit drei anderen Mächten Verantwortung trug. Konnte der Jubel und die politische Bedeutung überboten werden, nachdem der General in Bonn, der Hauptstadt der Bundesrepublik, zum ersten Mal von dem »großen deutschen Volk« gesprochen hatte?
    Die Mauer stand schon fast zwei Jahre, und keine Änderung oder auch nur Erleichterung der zementierten Teilung war absehbar. Nach dem verbalen Schlagabtausch mit Chruschtschow im Juni 1961 in Wien konnte nicht ausgeschlossen werden, dass ein politisch heißer Herbst bevorstand. Berlin blieb ein Risiko für den Präsidenten. Er muss erleichtert gewesen sein, dass ihn die Menschen so herzlich begrüßten, bevor er auch nur ein Wort gesprochen hatte. Sein erster Triumph: Auf dem Platz vor dem Rathaus, der nie zuvor und danachso viele Menschen gesehen hatte, sprach kein souveränes Staatsoberhaupt, sondern ein Freund, der Vertrauen und Hoffnung verkörperte, außerdem, unvergleichbar, der mächtigste Mann auf der Welt. Sein berühmter Satz wirkte wie eine Erlösung und hatte einen begeisterten Jubel zur Folge. Als Kennedy sich zum Berliner erklärte, schuf er eine friedliche Garantie für die Stadt. Bis 1990, dem Jahr der deutschen Einheit, hat es keine gefährliche Krise mehr gegeben.
    Seine Rede am Nachmittag in der Freien Universität stellte die geniale Ergänzung dar, die Bereitschaft zur Entspannung mit der Sowjetunion, um die stabile Sicherheit in der Mitte für ganz Europa zu erreichen. Sie hielt trotz der Kuba-Krise, während der beide Seiten vor dem Abgrund eines nuklearen Krieges zurückschreckten. Das Einvernehmen mit Moskau war durch seine Erklärung in Berlin nicht gefährdet. Das wurde sein zweiter Triumph.
    Beim Essen in der Brandenburghalle des Schöneberger Rathauses sprühte Kennedy vor guter Laune. Er muss sich erleichtert gefühlt haben. Den wirklichen Grund dafür kannten wir nicht. Der hatte eine ganz andere Dimension. Ich habe erst aus den Texten dieses Buches erfahren, dass Kennedy vor diesem Besuch mehrfach in Deutschland gewesen war. Bei Tisch hatte er das mit keiner Silbe erwähnt. Brandt hätte es mir mindestens zu verstehen gegeben, weil er wusste, dass ich schweigen konnte.
    Die Kennedys sind eine der alten reichen weißen Ostküstenfamilien, unziemlich als Adel Amerikas bezeichnet. John F. war gerade zwanzig Jahre alt, als ihn sein Vater 1937 auf eine Dreimonatsreise nach Europa schickte. Schwerpunkte Frankreich und Italien für dieSehenswürdigkeiten, aber auch Deutschland. Der Student hat überall einen Blick für Mädchen, aber eben auch für die überzeugten Anhänger der Hitlerpartei. Gegner hat er nicht entdeckt. 1945 auf seiner dritten Deutschland-Reise, hat er nur noch Gegner getroffen. Aber dazwischen berichtet er 1939 aus Danzig, dass die Menschen begeistert »Heim ins Reich« wollten, in Berlin und abermals in München und in dem angeschlossenen Wien beeindruckt ihn die Stärke dieses zu ihrer Führung stehenden Volkes. Prag ist schon besetzt.
    In London, wo sein Vater inzwischen Botschafter ist, erlebt er 1939 als Augenzeuge die Kriegserklärung Chamberlains gegen das Reich. Nach Kriegsende macht ihn sein Vater mit dem Marineminister James Forrestal bekannt, den er nun begleitet. Er lernt den Oberbefehlshaber General Eisenhower kennen und überfliegt die Trümmerwüsten des zerstörten Reiches. Aus der Nähe kann er die Verhandlungen für die Ordnung im Nachkriegseuropa auf der Potsdamer Konferenz verfolgen, an denen weder Paris noch Vertreter Osteuropas teilnehmen. Die betonte Geschlossenheit der Anti-Hitler-Koalition auf der einen Seite, auf der anderen Seite der Antitotalitarismus, zu dem der junge aufgeweckte Kennedy schon gefunden hatte, konnten ihn sogar zu der Ahnung eines Gegensatzes geführt haben, der bald Kalter Krieg genannt werden sollte.
    Das Bild von Deutschland muss für Kennedy sehr widerspruchsvoll gewesen sein. Die grauen, verängstigten Gesichter der Berliner, die durch die Trümmerlandschaft liefen, haben ihn tief beeindruckt. In Bremen und an »Hitlers Wohnsitz« in Bayern sahen die Menschen gut genährt aus. Die Russen (Kennedy spricht nie von Sowjets)
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