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Opus 01 - Das verbotene Buch

Titel: Opus 01 - Das verbotene Buch
Autoren: Andreas Gößling
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er dich vor, Höttsche?«
    »Ich spreche in seinem Namen.« Der Hauptmann verschränkte die Arme vor der Brust. »Er hat es geschworen, Junge, beim Grab deines Vaters: dass er dich an Sohnes Statt annehmen und zu seinem Erben und Nachfolger erziehen wird – und jetzt ist es höchste Zeit dafür.«
    »Aber ich will nicht.« Amos senkte den Kopf. Ein heißer Klumpen bildete sich in seiner Kehle. »Ich kann nicht mit euch gehen«, brachte er hervor. Bald drei Jahre war es jetzt her, dass er selbst und seine Schwester Oda zu Waisen geworden waren. Mordbrenner hatten ihr Haus überfallen und alles in Schutt und Asche gelegt. Gut dreizehn Jahre alt war seine Schwester da gewesen, erselbst gerade erst zwölf. »Ich will niemals wie Onkel Heribert werden«, fuhr er mit festerer Stimme fort. »Auch mein Vater hat immer gesagt …« Doch dann unterbrach er sich mitten im Satz. Was gingen Höttsche diese Familiengeschichten an?
    Ritter Heribert von Hohenstein war der ältere Bruder von Amos’ und Odas Vaters. Er hatte den Stammsitz der Familie geerbt und Amos war der einzige männliche Nachkomme der Familie. Also war es selbstverständlich gewesen, dass Onkel Heribert seinen Neffen bei sich aufgenommen hatte, während Oda in Nürnberg bei ihrer Tante Ulrika untergekommen war. Doch so ähnlich sich die beiden Brüder rein äußerlich waren, so gegensätzlich waren sie in allem anderen. Ferdinand von Hohenstein war ein friedlicher und fürsorglicher Mann gewesen, der weder dem Krieg noch der Jagd irgendetwas abgewinnen konnte. Heribert dagegen war ein Rauf- und Saufbold, der Burg Hohenstein in ein Räubernest verwandelt hatte und von Wegelagerei und Raubzügen über die böhmische Grenze lebte.
    »Dein Vater ist tot, Junge«, sagte Höttsche in Amos’ Gedanken hinein, »also fang endlich an, dich daran zu gewöhnen: Eines Tages wirst du Burg Hohenstein erben. Da geziemt es sich nicht, dass du dem alten Kronus das Rübenbeet umgräbst. Ab sofort wird Bastian, der neue Page, an deiner Stelle gehen – er ist sowieso noch zu schwach und ängstlich für den Kampf. Und du reitest mit uns nach Böhmen.«
    Während Höttsche dies sagte, wurde Amos mit einem Mal ganz ruhig. Seit Monaten hatte er geahnt, dass der Onkel ihm über kurz oder lang den Umgang mit Kronus verbieten würde. Und genauso lange schon stand sein Entschluss fest: Lieber würde er davonlaufen und sich auf eigene Faust durchschlagen, als sich von Heribert zum Krieger und Raubritter abrichten zu lassen.
    »Ich werde auch weiter zu Kronus gehen«, sagte er. »Denn er will ja, dass ich ihm helfe – und nicht irgendein Page oder Knecht. Richte das meinem Onkel aus, Höttsche – und jetzt lass mich vorbei.«
    »Der Alte will es?« Der Hauptmann kniff die Augen zusammen. »Und wer hat wohl mehr zu sagen, Junge – dein Onkel oder dieser Tintenpisser Kronus?«
    »Kronus!«, gab Amos zurück, ohne auch nur einen Moment lang nachzudenken. Er selbst hatte nicht gewusst, dass er das sagen würde. Doch mehr noch als seine eigene Antwort verwunderte ihn Höttsches Reaktion.
    »Verflucht noch mal, da halte ich mich raus«, murmelte der Hauptmann. »Soll der Ritter eben selbst …« Das Blut war Höttsche mit einem Mal aus dem Gesicht gesackt. Er machte einen hölzernen Schritt zur Seite und gab den Weg frei.
    Im nächsten Moment zwängte sich Amos durch den engen Durchlass in der Burgmauer. Der Pfad draußen war schmal und von Felsbrocken gesäumt. Schon nach wenigen Schritten führte er steil abwärts. Doch Amos hätte ihn mit verbundenen Augen hinunterklettern können, so oft war er den halsbrecherischen Steig schon hinab- und wieder hinaufgestiegen – an jedem Montag zu Fuß und an allen anderen Tagen in seiner Fantasie.
    Im Laufschritt war er kurz darauf schon durchs Tannenholz getrabt, wohl eine Stunde lang. Auf halber Strecke entsprang der Gründleinsbach aus einem Felsenquell – ein waagrechter Spalt in der bemoosten Bergwand, der wie ein vorgestülptes Riesenmaul aussah. Wie immer hatte Amos hier einen Augenblick Rast gemacht, um ein paar Schlucke Wasser zu trinken, ehe er weitergelaufen war, nun auf abschüssigem Pfad, den murmelnden Bach zu seiner Linken.
    Ja, Kronus ist mächtig, hatte er unterwegs immer wieder gedacht. Und anscheinend hatte es Höttsche vorhin genauso empfunden: Valentin Kronus war ein gebrechlicher alter Mann – und doch besaß er weitaus mehr Macht als Ritter Heribert, ja selbst als der Amtmann des Fürsten unten in Kirchenlamitz.
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