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Opus 01 - Das verbotene Buch

Titel: Opus 01 - Das verbotene Buch
Autoren: Andreas Gößling
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»magische« Weltsicht und insgesamt der »heidnische« Reichtum an vorinquisitorischen Welt- und Selbsterfahrungsmöglichkeiten sind mit dem Fortschreiten der Neuzeit mehr und mehr aus unserer Wirklichkeit verschwunden. Überdauert haben sie aber dort, wohin auch Valentin Kronus und das Opus Spiritus sie in meinem Roman retten wollen – im Refugium der erzählenden Dichtkunst.
    Dass die »magische« Welt des Mittelalters bis heute lebendig geblieben ist, verdanken wir ganz überwiegend den großen Dichtern der romantischen Epoche: Unser heutiges Bild von mittelalterlichem Denken und Empfinden, von voraufklärerischer Magie und vorindustrieller Naturfrömmigkeit ist maßgeblich von epochalen Werken wie Novalis’ Heinrich von Ofterdingen , Josef von Eichendorffs Taugenichts oder den Erzählungen und Novellen von Ludwig Tieck geprägt. Vermutlich sind sich heute nur noch wenige Leser(und wohl auch nicht allzu viele Verfasser) einschlägiger Genreromane dieser ironischen Abhängigkeitsverhältnisse bewusst: Wenn wir heute Schilderungen »typisch mittelalterlicher« Figuren und Szenen lesen, »typisch mittelalterliche« Burg- und Turmkulissen in Filmen, auf Bildern oder auch »in Wirklichkeit« sehen, so handelt es sich fast durchweg um Reproduktionen und Abwandlungen romantischer Mittelalterfiktionen.
    Im 19. Jahrhundert, auf dem Höhepunkt der romantischen Epoche, ließen hierzulande nicht wenige Bürgermeister und Schlossbesitzer die ihnen anvertrauten Gemäuer »romantisieren«, also mit zinnengeschmückten Türmen und verschnörkelten Erkern versehen, um braven Bauwerken eine Aura von »mittelalterlicher Ritterburg« zu verleihen. Gar nicht so selten ließen romantisierende Landschaftsarchitekten sogar komplette Burgruinen oder halb eingestürzte Bergfriede malerisch auf Hügelkuppen erbauen – wie beispielsweise im Felslabyrinth bei Wunsiedel: Ein Turm ähnlich jenem, in dem sich Amos vor den Bücherjägern verschanzt, steht dort »wirklich« auf einem Felsgipfel – aber es handelt sich um eine pseudomittelalterliche Scheinruine aus romantischer Zeit.
    Anders als den besagten Schlossbesitzern oder Genreschreibern war den Dichterpriestern der Romantik allerdings durchweg bewusst, dass es bei der romantischen Rettung der mittelalterlichen Welt nur zum kleinsten Teil auf Fassadenkosmetik oder Kostümbildnerei ankommen kann: Romantische Dichtkunst war etwa für Novalis nichts Geringeres als die neue, einzig zeitgemäße Religion – der romantisch-fantastische Roman als heiliger Hain, in dem allein wir Magie, Wunder, Spiritualität heute noch erleben können.
    Valentin Kronus ist zweifellos ein Bruder der Novalis, Tieck und Eichendorff in diesem magisch-romantischen Geist. Und er will sogar mehr als sie: die Rückkehr der Magie in unsere ausgenüchterte Wirklichkeit – durch Be
geister
ung seiner Leser.

    Coburg im September 2009
    Andreas Gößling
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