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Der Schreiber von Córdoba

Der Schreiber von Córdoba

Titel: Der Schreiber von Córdoba
Autoren: Melanie Little
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Prolog
    Spanien war schon immer reich an Geschichten. Sogar der erste große Roman, Don Quijote , kam aus Spanien. Die Spanier des Mittelalters ließen sich von Erzählungen über Ritter und vornehme Damen verzaubern, und selbst die Könige und Adeligen liebten die eher weit hergeholte Geschichte ihrer Abstammung von dem griechischen Halbgott Herakles. Aber manchmal hatte diese Freude am Geschichtenerzählen auch eine gefährliche Seite.
    In den Jahren vor der Ära, die in Geschichtsbüchern als das Goldene Zeitalter Spaniens bezeichnet wird, war das Land in drei verschiedene Reiche unterteilt: das christliche Kastilien in der Mitte, das christliche Aragón im Osten und das kleine, aber wichtige Granada an der Südspitze, das von der muslimischen Dynastie der Nasriden regiert wurde. Am 19. Oktober 1469 heiratete der Thronerbe von Aragón, Prinz Ferdinand, Prinzessin Isabella, die Thronerbin von Kastilien. Das war der erste Schritt zur Verwirklichung des großen Traums von einem geeinten Spanien.
    Aber Spanien hatte schon einmal ein Goldenes Zeitalter erlebt. Vom Jahr 711 n.Chr. bis ins zwölfte Jahrhundert bezeichnete man es als Königreich al-Andalus, regiert von maurischen Herrschern, die aus Damaskus in Syrien gekommen waren. Der Koran, das heilige Buch der Muslime, lehrte die Anhänger des Islam, andere Religionen zu respektieren – besonders die der anderen sogenannten Buchvölker, Christen und Juden. Nach der Eroberung von al-Andalus durften die Christen weiter ihren eigenen Glauben praktizieren und ihre eigene Sprache sprechen. Ebenso die Juden, die schon seit der Römerzeit in Spanien ansässig waren. Viele entschlossen sich jedoch, Arabisch zu lernen, und es entwickelte sich eine blühende Gemeinschaft, geprägt von Kultur, Bildung und friedlicher Koexistenz (oft convivencia genannt). Über hundert Jahre lang war die spanische Stadt Córdoba der Sitz der Kalifen – der Oberhäupter der muslimischen Welt. Dank ihrer gelangten wichtige Bücher über Medizin, Naturwissenschaft und Philosophie nach Europa. Die Bibliotheken von Córdoba beherbergten mit der Zeit fast eine halbe Million Bücher.
    Während der allmählichen »Rückeroberung« ( reconquista ) Spaniens wurden Muslime und Juden zunächst ähnlich respektvoll behandelt. Die drei Kulturen existierten weiterhin Seite an Seite. Muslime und Juden konnten ihren Glauben noch immer relativ frei praktizieren. Aber sie wurden mit einer drückenden Steuerlast belegt, wenn sie sich nicht zum Christentum bekehrten. Sowohl die Mudéjares – Muslime, die unter christlicher Herrschaft lebten – als auch die Juden wurden gedrängt und nicht selten gezwungen, in Stadtvierteln zu leben, die von Mauern umschlossen waren und bewachte Tore hatten. Neue Gesetze verboten ihnen die Ausübung bestimmter Berufe und untersagten ihnen, Christen zu heiraten oder als Arbeitskräfte zu beschäftigen und vornehme Kleidung zu tragen. An christlichen Feiertagen durften sie nicht einmal ihre Viertel verlassen. Sie mussten Abzeichen tragen – in Kastilien gelbe, wenn sie Juden waren, und rote, wenn sie Muslime waren –, damit die Christen wussten, mit wem sie es zu tun hatten, und gewarnt waren. Die Krone und die Kirche behaupteten, die Juden versuchten unablässig, Christen zum Judentum zu bekehren, aber dafür gibt es keine historisch belegten Anhaltspunkte. Im Jahr 1483 wurden die Juden aus Südspanien vertrieben.
    Córdoba wurde zu einer Stadt, in der die Angst herrschte. Dort lebten jetzt große Bevölkerungsanteile von Conversos, Juden, die zum Christentum übergetreten waren. Viele hatte man gezwungen, gegen ihren Willen zu konvertieren – manche unter Androhung der Todesstrafe. Andere waren aus eigenem Interesse übergetreten, meist, um in Spanien bleiben zu können. Spanien – das auf Ladino, der Sprache der spanischen Juden, Sepharad hieß – war ihr neues Jerusalem, ihre geliebte Heimat.
    Mit Billigung der Kirche begannen die Menschen, sich gegen die Conversos zu wenden. Einmal kam das wilde Gerücht in Umlauf, ein bekehrtes Judenmädchen habe aus einem Fenster Urin auf ein Bildnis der Muttergottes unten auf der Straße geschüttet. Daraufhin wurden Hunderte von Conversos umgebracht, angeblich als Vergeltung. Danach verschlechterte sich die Lebenslage der noch in Spanien verbliebenen Conversos drastisch. Man diskriminierte sie im Geschäftsleben und in vielen Berufen, in der Kirche und im Alltag. Oft wurden sie auf der Straße angepöbelt oder angegriffen.
    Immer
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