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Opus 01 - Das verbotene Buch

Titel: Opus 01 - Das verbotene Buch
Autoren: Andreas Gößling
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bekannte Welt umspannt. Sie finanzieren die Kriegszüge des deutschen Königs und die Schweizergarde des Papstes. Sie führen bereits um 1525 aus der »Neuen Welt« ganze Schiffsladungen Guajakholz nach Europa ein, das als Wundermittel gegen die damals grassierende Geschlechtskrankheit Syphilis gilt. Als der berühmte Arzt Paracelsus 1529 ein Buch drucken lassen will, in dem er die Therapie mit Guajakholz für unwirksam erklärt, setzen die Fugger bei der Nürnberger Zensur ein Druckverbot durch.
    Entsprechend wächst das Selbstbewusstsein der Stadtbürger. Sie schicken ihre Söhne in eigene städtische Gymnasien. Die erfolgreichsten Patrizierfamilien übertreffen bald schon viele alte Adelsgeschlechter an Macht und Reichtum. Durch Steuern und Abgaben nimmt die Stadt Nürnberg um 1500 jährlich mehrere Hunderttausend Gulden ein. Dagegen müssen sich selbst Könige bei den neuen mächtigen Bankhäusern verschulden, um eine standesgemäße Hochzeit zu finanzieren.
Die Schwarzkünstler der neuen Zeit
    Unter all diesen revolutionären Veränderungen, die den Umbruch vom Mittelalter zur Neuzeit markieren, kommt der Erfindung des mechanischen Buchdrucks besondere Bedeutung zu. Diese Pioniertat wird meist dem Mainzer Johannes Gutenberg (1400–1468) zugeschrieben. In Asien waren sehr ähnliche Drucktechnikenallerdings schon viel länger bekannt. Dennoch löst Gutenbergs Druckerpresse mit beweglichen Metalllettern ab der Mitte des 15. Jahrhunderts in Europa eine technische und Medienrevolution ersten Ranges aus.
    Die damalige katholische Kirche nimmt zu dieser Entwicklung eine zwiespältige Haltung ein. Einerseits kommt die neue Technik ihren Absichten durchaus entgegen, da sie erstmals die Möglichkeit eröffnet, einheitliche Textfassungen in beliebigen Mengen zu reproduzieren. Auf der anderen Seite aber droht der Kirche die Kontrolle über die Herstellung und Vervielfältigung von Schriftwerken zu entgleiten, wenn fortan jede Druckwerkstatt nach eigenem Gutdünken Flugblätter oder ganze dickleibige Bände produzieren und vertreiben kann. So ist es gewiss kein Zufall, dass die Drucker bald schon als »neue Schwarzkünstler« verdächtigt werden – ein Schimpfwort, das ursprünglich auf Alchimisten und Zauberer gemünzt ist, die verbotene »schwarze« Magie betreiben. Mit Blei hantieren beide, der Drucker mit seinen Bleilettern und der Alchimist, der im Labor verbotenermaßen Blei in Gold umzuwandeln versucht. Und aus Sicht der Inquisitoren scheint es nur allzu berechtigt, die Druckerkunst auch im übertragenen Sinn den »teuflischen« Künsten zuzurechnen – jedenfalls dann, wenn sie nicht der Vervielfältigung von Bibeln und anderem frommem Schrifttum dient.
    Genauso wenig ist es dem Zufall zuzuschreiben, dass sich die Druckerkunst und die Hexenverfolgung Ende des 15. Jahrhunderts nahezu parallel in Europa verbreiten – und mit ihnen eine immer engmaschigere Buchzensur. Die Inquisition war von Anfang an nichts anderes als eine rabiate Form der Zensur, bei der zusammen mit »ketzerischem« Schrifttum gleich auch die vermeintlichen Ketzer verbrannt wurden. Entsprechende Gesetze erließ Kaiser Friedrich II. schon Anfang des 13. Jahrhunderts und bereits 1252 erklärte Papst Innozenz IV. den Einsatz der Folter bei Inquisitionsprozessen für rechtens. Doch erst 1484 ordnet Papst Innozenz VIII. die systematische Verfolgung von Hexen und Zauberernim gesamten Abendland an – und nur drei Jahre darauf legt der dominikanische Inquisitor Heinrich Kramer mit dem berüchtigten Hexenhammer ein umfassendes Handbuch für Hexenjäger vor. Traurige Ironie am Rande: Gerade durch die neuartige Druckerkunst, gegen die sich die Hexenjagd zumindest teilweise richtet, kann dieses monströse Machwerk in kürzester Zeit hundertfach verbreitet werden und damit ungleich größeren Schaden anrichten, als dies zu Zeiten der handschriftlichen Vervielfältigungstechnik möglich gewesen wäre.
Bücherjagd in Nürnberg
    In vorherigen Jahrhunderten, als nur Mönche und Adlige lesen konnten und die Kopie und Verbreitung von Schriftstücken langwierig und mühsam war, konnte sich die Kirche mit der nachträglichen Kontrolle bereits in Umlauf gebrachter Bücher begnügen. Diese wurden von vatikanischen Zensoren geprüft und entweder freigegeben (oftmals mit dem Vermerk »gekürzt und bearbeitet«) oder auf den berüchtigten Index gesetzt: Dann war es bei Strafe verboten, derlei Schriftstücke zu besitzen, zu lesen oder gar zu verbreiten. Aber die
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