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Opus 01 - Das verbotene Buch

Titel: Opus 01 - Das verbotene Buch
Autoren: Andreas Gößling
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keuchend und winselnd, starrte er Klara hinterher, die unterdessen den Saumpfad erklommen hatte und sich mit einem Satz auf den Rücken der Füchsin schwang.
    Sie war immer noch wütend auf Johannes, doch gleichzeitig war sie von Stolz auf sich selbst erfüllt und wie berauscht von ihrem Sieg. Der Knochenkerl hatte mir das Buch geklaut, aber ich habe es ihm auf der Stelle wieder abgejagt. Sie spähte nach innen, und gerade in diesem Moment fühlte sie das vertraute Ziehen in ihrer Magengegend und gleich darauf ein Rauschen hinter ihrer Stirn.
    Amos? Die Tränen schossen ihr aufs Neue in die Augen.
    Klara, wo bist du … wo bin ich … Seine Gedankenstimme klang sterbensmatt.
    Bei allen guten Geistern, liebster Amos – was haben sie mit dir gemacht?
    Du musst fliehen, Klara, so schnell du kannst. Sie bringen mich nach Nürnberg in den Inquisitionskerker. Und wir beide wissen, dass von dort niemand ans Tageslicht zurückkehrt – außer um auf dem Scheiterhaufen zu sterben .
    Darauf fiel ihr keine Antwort ein. In ihrem Kopf wurde es für einen Moment ganz leer. Nein, schrie sie dann innerlich auf, das darf und wird niemals geschehen!
    Pass auf dich auf, liebste Klara! Auf dich und das Buch.
    Ich verspreche es dir. Und ich schwöre hiermit im Namen der Geister, dass ich dich immer lieben und dass ich dich da rausholen werde – mit den Kräften, die die dritte und die vierte Geschichte erwecken, werden wir zusammen alle Kerker zersprengen, mein Auserwählter.
    Klara schob das Buch in ihr Gewand und preschte querfeldein davon, dem schützenden Wald entgegen.

Nachwort: Bücherjagd und Weltuntergang
    Nachwort
Bücherjagd und Weltuntergang
Dichtung und Wahrheit in Opus – Das verbotene Buch
    Buchzensur und Menschenjagd waren traurige Wirklichkeit zu Beginn der Neuzeit, gerade in Nürnberg und den fränkischen Bistümern; aber die Hauptpersonen meines Romans sind frei erfunden, und was sie im Verlauf der Handlung durchmachen müssen, hat sich in Wirklichkeit niemals abgespielt. Die Bruderschaft Opus Spiritus hat es nie gegeben, und dass ein Werk wie
Das Buch der Geister
jemals das Licht der Welt erblickte, ist eher unwahrscheinlich – leider. Trotzdem behaupte ich, dass alles, was in diesem Buch erzählt wird, in einem tiefgreifenden Sinn wahr und wirklich ist – als Sinnbild der gewaltigen Umbrüche, von denen unsere Welt zu Beginn der Neuzeit erschüttert und von Grund auf umgeformt worden ist.
    Auf den folgenden Seiten will ich versuchen, das Verhältnis von »Dichtung« und »Wahrheit« in meinem Verbotenen Buch ein wenig zu beleuchten.
Weltuntergang
    Gegen Ende des 15. Jahrhunderts durften Weltuntergangsprediger im christlichen Europa auf besonders lebhaftes Publikumsinteresse hoffen. In Scharen zogen sie durchs Land und verkündeten allerorten, das Jüngste Gericht sei nah. Doch bereits während des gesamten Jahrtausends davor, das wir heute stark vereinfachend als Mittelalter bezeichnen, waren gerade strenggläubige Christen für apokalyptische Voraussagen hochgradig empfänglich: Schließlich hatte Jesus Christus durch seine Apostel übermittelt, dass er demnächst zurückkehren und über die Welt Gericht halten werde.
    In den biblischen Endzeitvisionen konnte man nachlesen, durch welche furchterregenden Vorzeichen sich diese Wiederkehr des Gottessohnes ankündigen werde – durch Himmelszeichen, Krieg und Dürre, durch Hunger oder Pest. An derlei Katastrophen herrschte ohnehin kein Mangel, und so konnten sich die Wanderprediger und apokalyptischen Marktschreier angstvoller Aufmerksamkeit sicher sein, wann und wo immer sie reale Katastrophen als Vorschein des Jüngsten Gerichts auslegten. Trafen die unheilvollen Ereignisse auch noch mit runden Kalenderdaten zusammen – mit dem Ende eines Jahrhunderts, eines halben oder ganzen Jahrtausends –, dann gewannen die düsteren Auslegungen noch mehr Suggestionskraft und die Prediger des Weltendes entsprechend mehr Zulauf. Und nachdem der Heiland entgegen weit verbreiteter Erwartung zum Ende des ersten christlichen Jahrtausends nicht wiedergekehrt war, schien es nur umso zwingender, dass er dann eben nach Ablauf des dritten christlichen Jahrfünfhunderts Gericht halten würde.
    Also alles nur »typisch mittelalterlicher Aberglaube«? Ganz so einfach liegen die Dinge gerade zum Ende des 15. Jahrhunderts nicht. Wenn die Behauptung, der Weltuntergang sei nahe, in einer Kultur auf so lebhaften Widerhall stößt, lässt das meist auf bedrohliche Risse und Brüche in
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