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Cyberspace

Cyberspace

Titel: Cyberspace
Autoren: William Gibson
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    Wenn Dichter die uneingestandenen Gesetzgeber der Welt sind, dann sind Science Fiction—Schreiber ihre Hofnarren. Weise Narren sind wir, die tollen, kapriolen, weissagen und sich öffentlich den Kopf kratzen dürfen. Wir können mit großen Gedanken spielen, weil das scheckige Narrenkleid unsrer Pulp-Herkunft uns harmlos erscheinen läßt.
    Und wer SF schreibt, hat reichlich Gelegenheit zum Auf-den-Arm-Nehmen. Wir haben Einfluß ohne Verantwortung. Obwohl die wenigsten glauben, uns ernst nehmen zu müssen, durchdringen unsre Ideen die Gesellschaft und sprudeln unsichtbar dahin wie Hintergrund-Strahlung.
    Das Traurige dabei ist, daß die SF neuerdings ein eher tristes Geschäft ist. Alle Formen der Pop-Kultur durchlaufen Flauten und holen sich einen Schnupfen, wenn die Gesellschaft niest. Wenn wundert's also, wenn die SF der späten 70er Jahre wirr, introvertiert und verbraucht war?
    William Gibson jedoch ist einer unsrer vielversprechenden Vorboten, daß etwas Bessres
    nachkommt.
    Schon nach seiner kurzen Karriere steht fest, daß er zu den maßgebenden Autoren der 80er Jahre zu rechnen ist. Sein bemerkenswerter Erstlingsroman 1HXURPDQFHU der 1985 alle einschlägigen Preise einheimste, demonstrierte Gibsons beispielloses Talent, haargenau den Nerv der Zeit zu treffen. Der elektrisierende Effekt trug dazu bei, das ganze Genre aus seinem dogmatischen Schlummer zu reißen. Aus dem Winterschlaf erwacht, kommt die SF nun aus der Versenkung hervor und taumelt ins grelle Licht des modernen Zeitgeists. Und wir sind ziemlich abgemagert und hungrig und nicht gerade bei bester Laune. Nun soll alles anders werden.
    Die vorliegende Sammlung enthält alle bisherigen kürzeren Werke von Gibson und bietet die seltene Gelegenheit, die erstaunlich schnelle Entwicklung eines wichtigen Autors zu verfolgen.
    Die Richtung, die er einschlagen sollte, wurde schon in seiner ersten veröffentlichten Erzählung »Fragmente einer Hologramm-Rose« von 1977 offenbar. Gibsons Markenzeichen sind alle da: komplexe Synthese der modernen Pop-Kultur, High Tech und fortgeschrittene Schreibtechnik.
    Gibsons zweite Story, »Das Gernsback-Kontinuum«, nimmt bewußt die einherschlurfende SF—Tradition aufs Korn. Es ist eine schonungslose Abrechnung mit der »Scientifiction« in Gestalt techniatrischer Schmalspurigkeit. Wir erleben hier einen Autor, der seine Wurzeln kennt und eine radikale Reformation ansteuert.
    Seinen Rhythmus fand Gibson in der Sprawl-Serie, wozu »Der mnemonische Johnny«, »New
    Rose Hotel« und das fabelhafte »Chrom brennt« zählen. Mit dem Erscheinen dieser Stories im Magazin 2PQL wurde ein Niveau imaginärer Konzentration offenbar, das im gesamten Genre die Einsätze hochschnellen ließ. Die dichten, bizarren Stories mit ihrer kantigen, düsteren Leidenschaft und intensiv umgesetzten Detailfreude lohnen mehrmaliges Lesen.
    Zum Triumph verhalf diesen Stories die Beschwörung einer glaubhaften Zukunft. Man kann kaum überschätzen, was ein solcher Versuch abverlangt, dem viele SF-Autoren seit Jahren tunlichst aus dem Weg gehen. Diese intellektuelle Verweigerung erklärt die bedenkliche Zunahme postapokalyptischer Inhalte, die Zunahme von Fantasy a la Sword & Sorcery und die Zunahme des Dauerbrenners Space Opera, in der galaktische Imperien praktischerweise in ordentliche Barbarei zurückfallen. All diese Subgenres feiern fröhliche Urstand, weil die Schreibenden sich einer Auseinandersetzung mit einer realistischen Zukunft verweigern.
    In der Sprawl-Serie erleben wir jedoch eine Zukunft, die sich erkennbar von modernen
    Verhältnissen ableitet. Die Perspektive ist vielschichtig, anspruchsvoll, global. Ausgegangen wird von neuen Ansätzen: nicht von der abgedroschenen Formel aus Roboter, Raumschiff und modernem Kernkraftwunder, sondern von der Kybernetik, Biotechnologie und
    Nachrichtentechnik, um nur einige zu nennen.
    Während Gibsons Extrapolationstechnik eine klassische der Hard SF darstellt, ist die Ausführung New Wave pur. Statt der üblicherweise gefühllosen Technik-Menschen und gestählten Könner-Typen der Hard SF sind seine Charaktere ein Sammelsurium aus Verlierern, Gangstern, Abtrünnigen, Ausgestoßenen und Irren. Wir erleben seine Zukunft vom Unterleib aufwärts, nicht bloß als trockene Spekulation.
    Gibson macht ihm ein Ende, dem ergiebigen Gernsbackschen Archetypus Ralph 124C41+, dem weißstämmigen Technokraten im Elfenbeinturm, der den Pöbel mit den Segnungen der
    Wissenschaft
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