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Cyberspace

Cyberspace

Titel: Cyberspace
Autoren: William Gibson
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sagte ich.
    »Bist mein Typ«, erwiderte sie lachend. »Was haste in der Tasche?«
    »Eine Kanone.«
    »Brutal.« Das war vielleicht ein Kompliment.
    Ralfi sagte kein Wort mehr.
    »Heiße Millions. Molly Millions. Du willst raus von hier, Boß? Die Leute schauen schon.« Sie stand auf. Sie trug eine Lederhose in der Farbe von getrocknetem Blut.
    Und ich sah zum ersten Mal, daß die verspiegelten Gläser chirurgisch eingepaßt waren und über den hohen Wangen wie ein Deckel auf den Augenhöhlen saßen. In den Gläsern sah ich doppelt mein neues Gesicht.
    »Ich heiß Johnny«, sagte ich. »Mr. Face nehmen wir mit.«
    Er wartete draußen. Sah aus wie ein typischer Tourist, ein Tech mit Plastikbadeschuhen und einem albernen Hawaihemd, das vergrößert bedruckt war mit dem populärsten Micro-processor seiner Firma; ein harmloser kleiner Typ von der Sorte, die wahrscheinlich vom vielen Sake besoffen in einer der Bars enden, wo man Miniaturkekse aus Reis mit Seetanggarnierung kriegt.
    Er sah aus wie die Sorte, die flennen, wenn sie die Firmenhymne blöken, und die dem Barkeeper endlos die Hand schütteln. Und die Kuppler und Dealer, die ihn als von Natur aus konservativ einstuften, ließen ihn zufrieden. So einer hat nicht viel vor und paßt, wenn doch, auf sein Geld und seinen Ruf auf.
    Wie ich mir später erklärte, hatten sie wohl seinen linken Daumen etwa ab dem ersten Gelenk amputiert und durch eine prothetische Spitze ersetzt und den Stummel ausgehöhlt und mit Spule und Sockel aus einem Diamantanalogon von Ono-Sendai bestückt. Dann hatten sie die Spule
    sorgfältig mit drei Meter einer monomolekularen Faser umwickelt.
    Molly begann eine Art Gespräch mit den Magnetic Dog Sisters, so daß ich Gelegenheit hatte, Ralfi durch die Tür zu schieben, indem ich ihm die Sporttasche sachte ins Kreuz drückte. Molly schien die Sisters zu kennen. Ich hörte die Schwarze lachen.
    Aus irgendeinem flüchtigen Reflex heraus blickte ich auf, vielleicht weil ich mich nie an sie gewöhnen konnte, die gleißenden Lichtbögen und die Schatten der geodätischen Kuppeln
    darüber. Das war vielleicht meine Rettung.
    Ralfi ging weiter, wollte aber, wie ich meine, nicht türmen. Ich glaube, er hatte schon
    aufgegeben. Vermutlich konnte er sich denken, was wir vorhatten.
    Als ich den Blick wieder senkte und ihn anschaute, sah ich ihn gerade noch explodieren.
    Playback der Sinneseindrücke zeigt, wie Ralfi vorausgeht, während irgendwo seitlich aus dem Nichts der lächelnde kleine Tech auftaucht. Nur eine angedeutete Verbeugung, und der linke Daumen fällt ab. Zaubertrick. Der Daumen baumelt in der Luft. Spiegel? Drähte? Und Ralfi
    bleibt, den Rücken zu uns gekehrt, stehen. Dunkle Schweißränder unter den Achseln seines
    hellen Sommeranzugs. Er weiß es. Er muß es gewußt haben. Und dann schnellt der magische,
    bleischwere Daumen in einem rasanten Jo-Jo-Trick vor, und der unsichtbare Faden, der ihn mit der Killerhand verbindet, schneidet seitlich unmittelbar über den Brauen durch Ralfis Schädel, peitscht nach oben und fährt nieder und trennt dabei diagonal zwischen Schulter und Brustkorb ein birnenförmiges Stück Torso heraus. Schneidet so fein, daß kein Blut fließt, bis Synapsen fehlschalten und erste Zuckungen den Körper der Schwerkraft ausliefern.
    Ralfi zerfiel in einer rosaroten Wolke von Körperflüssigkeiten, und die drei ungleichen Teile purzelten vornüber aufs Pflaster. Ohne einen Laut.
    Ich riß die Sporttasche hoch, und meine Hand krampfte sich zusammen. Der Rückstoß hätte mir beinahe das Handgelenk gebrochen.
    Es muß geregnet haben. In Strömen goß es durch eine rissige Kuppel aufs Pflaster hinter uns.
    Wir duckten uns in die schmale Nische zwischen einer chirurgischen Boutique und einem
    Antiquitätengeschäft. Sie hatte gerade mit einem verspiegelten Auge um die Ecke gelugt und meldete ein Volksmodul mit blitzendem Rotlicht vor dem Drome. Ralfi wurde aufgewischt.
    Fragen wurden gestellt. Ich war mit versengten weißen Flusen bedeckt. Die Tennissocken. Die Sporttasche war wie eine zerfetzte Plastikmanschette über meinen Unterarm gestülpt. »Kapier ich nicht, wie ich den, verdammt noch mal, verfehlen konnte.«
    »Weil er flink ist, so flink.« Sie schlang die Arme um die Knie und wippte auf ihren
    Stiefelabsätzen hin und her. »Sein Nervensystem ist auffrisiert. Sonderanfertigung.« Sie grinste und quiekte vergnügt. »Ich muß den Knaben kriegen. Heut' nacht. Er ist der Beste, spitzenmäßig, vom Feinsten,
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