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Opus 01 - Das verbotene Buch

Titel: Opus 01 - Das verbotene Buch
Autoren: Andreas Gößling
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dadurch, dass er der kopernikanischen Theorie und ihren Folgerungen vor einem Inquisitionstribunal abschwört. Aber zu diesemZeitpunkt haben Papst und Inquisition ihren Kampf gegen den Untergang der mittelalterlichen Welt längst verloren.
Neue Kirchen
    Aus Sicht des Vatikans ist es bereits beunruhigend genug, dass eine Flut neuer Entdeckungen und Gedanken seinen tausend Jahre lang verteidigten Anspruch unterhöhlt, alleiniger Hüter der Wahrheit zu sein. Aber gegen Ende des Mittelalters kommt es für die katholische Kirche noch ärger: Immer massiver wird ihre eigene Existenzberechtigung infrage gestellt – und zwar keineswegs nur von außenstehenden Widersachern, sondern zunehmend von innen heraus.
    Der böhmische Priester und Gelehrte Jan Hus (1370–1415) wird bereits zu Anfang des 15. Jahrhunderts auf dem Scheiterhaufen verbrannt (Oda geht im Gespräch mit Amos kurz darauf ein) – er hatte die ketzerischen Forderungen aufgestellt, dass die katholische Kirche sich von allem weltlichen Reichtum trennen müsse, dass ihre Priester wie Jesus in Armut leben und in einer Sprache predigen sollten, die die Menschen verstehen können. Der deutsche Reformator Martin Luther (1483–1546) entgeht diesem Schicksal hundert Jahre später nur deshalb, weil er für ähnliche Forderungen fürstliche Fürsprecher findet, die ihn vor der Inquisition beschützen. Aber sowenig die katholische Kirche die Entdeckung neuer Welten und die Entstehung neuer Weltalltheorien ungeschehen machen kann, so wenig kann sie auch die Gründung neuer Kirchen verhindern.
    Der von Luther begründete Protestantismus ist hierfür nur das berühmteste Beispiel – ein anderes, weit weniger bekanntes ist die im Roman erwähnte »Geistkirche«. Deren Anhänger stimmen vor allem in zwei Punkten mit Protestanten, Hussiten und anderen »Ketzern« überein: Der Papst ist für sie nicht der »Stellvertreter Christi« (sondern eher der fleischgewordene Satan), und daher spricht Gott nach ihrer Überzeugung auch nicht durch diePriester und ihre Auslegungen der Heiligen Schrift zu den Gläubigen, sondern einzig durch den Wortlaut der Bibel selbst. Die Kirche mit all ihren Hierarchien, Regeln und Geboten ist nicht nur überflüssig, sondern ein Hindernis, das sich zwischen den Gläubigen und seinen Gott gedrängt hat und das folglich zertrümmert werden muss – ein weiterer Schlag gegen die Fundamente der mittelalterlichen Welt.
Die Neuzeit
    Während Entdecker und Gelehrte allerorten das beengende Gemäuer der Alten Welt, des alten Denkens und Glaubens einreißen, wird auch das Leben der Menschen mehr und mehr von umwälzenden Veränderungen erfasst. Sicherlich war die mittelalterliche Welt selbst in ihrer Früh- und Hoch-Zeit nicht so »geschlossen« und »statisch«, wie sie uns heute im Rückblick oftmals erscheinen will. Aber um 1500 werden Wirtschaft, Gesellschaft und alltägliches Leben bis in die entlegensten Dörfer Europas von einer rasanten Beschleunigung ergriffen, auf die man erst viel später Begriffe wie »Fortschritt« oder »Revolution« anwenden wird.
    Etliche dieser gewaltigen Veränderungen bekommen auch die Figuren in meinem Roman zu spüren: Nicht mehr in den Schlössern und Burgen des Adels oder in den Klöstern der kirchlichen Schriftgelehrten, sondern mehr und mehr in den städtischen Handels- und Handwerkszentren schlägt der Puls der neuen Zeit – und er schlägt ungleich rasanter als hinter Burg- oder Klostermauern. Wie Ritter Heribert von Hohenstein ergeht es nicht wenigen Landadeligen der damaligen Zeit: Die Untertanen laufen ihnen in die Städte davon, denn wer dort eine Arbeit gefunden hat, kann meist freier, komfortabler und abwechslungsreicher leben als auf dem Land. Manch einem Ritter bleibt so nichts anderes übrig, als sich aufs Raubrittertum zu verlegen – wie beispielsweise Götz von Berlichingen, dem Goethe in seinem gleichnamigen Theaterstück ein literarisches Denkmal gesetzt hat unddessen Widersacher übrigens niemand anderes als Georg III. war, der Fürstbischof von Bamberg.
    Große Städte wie Nürnberg oder Köln, aber auch kleinere wie Wunsiedel oder Bamberg locken zu Beginn der Neuzeit mit einem Wohlstand selbst für einfache Handwerker, der eine Generation vorher noch dem Adel vorbehalten war. Die »Globalisierung« der Weltwirtschaft, von der heute so viel die Rede ist, hat damals bereits begonnen: Die Augsburger Fugger beispielsweise begründen zu jener Zeit ein Handels- und Bankennetz, das die gesamte seinerzeit
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