Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1060 - Die Mystikerin

1060 - Die Mystikerin

Titel: 1060 - Die Mystikerin
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
Die Stimme war dagewesen. Als eine Botschaft hatte sie sich für einen Moment in der Zelle ausgebreitet.
    Zelle. So nannte Ginny das schmale Zimmer, in dem sie die Kunden empfangen mußte. Vier Wände, eine Decke, ein schmales Fenster, nicht mehr als eine Luke. Zumeist leuchtete das rote Licht, und es warf seinen Schein auch nach draußen, damit jeder genau wußte, was ihn erwartete, wenn er in die Nähe des Hauses kam.
    Ginny arbeitete in einem Bordell. Verdammt harte Schichten, aber es brachte zumindest mehr Geld ein als andere Arbeiten in einem Büro oder in einer Fabrik. Im Lauf der beiden Jahre ihrer »Tätigkeit« hatte sich Ginny zudem an vieles gewöhnt. Sie gehörte zu den Mädchen, die sehr begehrt waren. Sie sah jünger aus als dreiundzwanzig. Das runde, kindliche Gesicht, die großen Augen, das lockige Haar und ein attraktiver Körper mit großer Oberweite. Ginny trug einen String Tanga. Das Oberteil konnte ihre beiden Brüste kaum bändigen. Auch an anderen Stellen war sie gut proportioniert. Es stimmte nicht, daß Männer nur diese dünnen Hippen liebten, sonst hätte sie nicht so gut zu tun gehabt.
    Ihr Arbeitszimmer bestand aus einer Mischung zwischen Lasterhöhle und Zelle. Das Bett mit der roten Decke, die schmale Kommode, die Lampe, das Waschbecken, die Handtücher, die Glotze mit dem Recorder für die Sexfilme, alles war billiger Standard, ebenso das Bett mit der weichen Matratze.
    Jedesmal wenn ein Freier sie verlassen hatte, wechselte Ginny die Unterlage aus, ein großes Handtuch. Über Hygiene stritt man sich hier nicht.
    Hinzu kam der Geruch. Er war nicht natürlich. Es duftete nach süßlichen Deos, aber auch nicht zu stark, schließlich sollte das Zeug dem Gast nicht in den Kleidern hängenbleiben.
    Ginny hatte die Zigarette wieder aufgenommen, noch einen Zug geraucht und sie dann ausgedrückt. Reglos saß sie auf dem Bett und lauschte.
    Einbildung? Nein, auf keinen Fall. Die Stimme war vorhanden gewesen.
    Ginny hatte nicht selbst geflüstert und sich nicht mit den Worten beruhigt. Da war etwas gewesen, aber etwas, mit dem sie nichts anfangen konnte und das sie beunruhigte.
    Auf ihrem fast nackten Körper lag eine Gänsehaut. Sie wollte auch nicht weichen, blieb wie eine zweite Haut, als Ginny den Kopf bewegte und sich umschaute. Das Bett stand günstig. Es endete mit dem Kopfteil an der Wand; so konnte sie das kleine Zimmer gut überblicken, ohne allerdings jemand zu sehen.
    Es gab nur eine Person, und das war sie.
    Um diese Zeit herrschte wenig Betrieb im Haus. Trotz der recht dünnen Wände war nicht viel aus den Nachbarzimmern zu hören.
    Hin und wieder ein Musikfetzen, mal eine Stimme, ein Lachen oder bestimmte, typische Geräusche, die eben zu diesem Job gehörten.
    Ihr Abkassierer war es nicht gewesen. Er würde noch kommen.
    Und er trat anders auf. Rocco war einer, der wenig redete. Er kam, kassierte, rechnete nach, und wenn es zu wenig war, ging es Ginny zumeist schlecht. Alles lief über ihn ab. Er zahlte auch die Miete für das Zimmer. Um einigermaßen zu verdienen, mußte Ginny schon zahlreiche Gäste bedienen. Brachte sie zuwenig, gab es Ärger mit Rocco.
    Er würde wieder kommen. Innerhalb der nächsten Viertelstunde.
    Erst danach konnte sie wieder einen Freier empfangen. Das eingenommene Geld lag neben dem Bett auf der Konsole. Der Lampenfuß hielt die Summe fest. Hoch war sie nicht. Aber Ginny hatte auch nicht gemogelt. Der Betrieb war an diesem Tag eben nicht so gut gewesen. Außerdem konnte sie ihren Zuhälter nicht betrügen. Jeder Gast wurde registriert. Das wußte auch Rocco. Bevor er zu ihr kam, zählte er die Anzahl der Kunden durch.
    Es interessierte ihn nicht, ob sie wenige oder viele Kunden gehabt hatte. Die Summe mußte stimmen. Waren es wenige, dann sollte Ginny, um den Umsatz zu erreichen, gewisse Extras anbieten, die dann mehr Einnahmen brachten.
    Das hatte sie getan, aber die Männer waren heute nicht darauf eingegangen. Es würde ihr nicht leichtfallen, ihrem Zuhälter dies klarzumachen.
    Schon beim letztenmal hatte er sie bedroht und davon gesprochen, daß seine Geduld am Ende war.
    Ginny fürchtete sich vor ihm. Alle Kolleginnen hatten Angst vor ihren Abkassierern. Diese Furcht vor Rocco verdrängte die andere, die von der Stimme verursacht worden war.
    Ginny holte wieder eine Zigarette hervor. Das schmale Fenster hatte sie gekippt und schaute zu, wie der Rauch träge in seine Richtung zog. Sie blickte auch deshalb hin, weil sie davon ausging, daß sich die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher