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Mutti geht's gut: Wahre Geschichten aus dem Leben einer Tochter (German Edition)

Mutti geht's gut: Wahre Geschichten aus dem Leben einer Tochter (German Edition)

Titel: Mutti geht's gut: Wahre Geschichten aus dem Leben einer Tochter (German Edition)
Autoren: Laura Windmann
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Vorwort
    E igentlich geht’s meiner Muddi gut. Weil es ihr aber von Zeit zu Zeit nicht ganz so gut geht und sie ihre Befindlichkeiten auf teilweise recht skurrile Art äußert, möchte ich Ihnen in diesem Buch vom Leben mit Muddi erzählen. Wer weiß, vielleicht entdecken Sie Gemeinsamkeiten mit Ihren Anverwandten, seien es nun Großtanten, Mütter, Großmütter oder andere ältere Familienangehörige, über deren Marotten Sie sich tagtäglich wundern.
    Meine Mutter hieß nicht immer Muddi, früher hieß sie Mutti. Die eine oder andere Folge der Fernsehserie Adelheid und ihre Mörder hat mich allerdings vor einigen Jahren davon überzeugt, den Namen ein wenig abzuändern: denn der Running Gag in diesen Fernsehfilmen – die bisweilen eigenwillige, beinah schrullige Art der Mutter, die deren Tochter oft mit Kopfschütteln und Augenverdrehen quittiert – ist genau das, was meine eigene Beziehung mit Muddi prägt. Ich habe viel aus der Fernsehserie gelernt. Unter anderem, dass ich die Äußerungen meiner Mutter gelegentlich einfach ignorieren sollte.
    Gisela May pflegte in ihrer Rolle als Film-Muddi Rosa Müller-Graf-Kleditsch mindestens einmal pro Folge zu sagen: »Du sollst nicht immer Muddi zu mir sagen, Adelheid!«, worauf Evelyn Hamann als ihre Tochter stets antwortete: »Is’ gut, Muddi.«
    Warum aber habe ich oft das Gefühl, dass mir meine Muddi auf den Geist geht? Zum einen hat es sicher mit dem Umstand zu tun, dass meine Mutter nach dem Tod meines Vaters allein geblieben ist.
    Die Witwe an sich befindet sich – je nach Alter und Charakterbeschaffenheit – entweder in einem positiven oder einem im Laufe der Zeit zunehmend negativeren Gemütszustand. Oft wohnen die erwachsenen Kinder nicht mehr in unmittelbarer Nähe, und je größer die Entfernung zum Elternhaus, desto spärlicher ist der Kontakt. Hat die Witwe keinen großen Freundeskreis, beginnt sie zu vereinsamen. Um den Herbst des Lebens dennoch nicht tatenlos zu erleben, bereitet sie ihren Mitmenschen, vor allem den eigenen Kindern, Freude, indem sie die Enkel hütet, die Töchter und Söhne in ausgeprägter Selbstlosigkeit mit Geschenken beglückt und ihr Haus oder die Wohnung pflegt und schmückt, als würde sie ihrem Ehemann noch immer ein gemütliches Heim gestalten wollen.
    Der Haken daran ist jedoch bei vielen älteren alleinstehenden Damen, dass sie jede vorgeblich selbstlose Tätigkeit gern in leicht vorwurfsvollem Ton kommentieren. Ihr Leben empfinden sie oft als »sinnlos und öde«, wenngleich meist nur ihr eigen Fleisch und Blut von dieser Tristesse erfährt. Dritten gegenüber stellen diese Muddis ihr Gefühlsleben in der Regel ganz anders dar.
    Die Söhne, stärker aber noch die Töchter der »Vereinsamten« bekommen täglich aufs Neue zu hören, dass ihrer Mutter etwas, ja, im Grunde alles fehlt. Am allermeisten die ständige Aufmerksamkeit ihrer Kinder. »Entertainment für Senioren« scheint daher die eigentliche Aufgabe des Nachwuchses zu sein, egal ob die Kinder einen Job haben und eigene Sprösslinge versorgen müssen – ganz abgesehen davon, dass sie vielleicht einen Teil ihrer Freizeit ohne Muddi gestalten möchten.
    Kommt Ihnen das bekannt vor? Nun, für mich gehört das jedenfalls zum Alltag.
    Hin und wieder ertappe ich mich sogar bei der Frage, ob es für meinen Bruder und mich nicht einfacher gewesen wäre, unseren Vater statt Muddi hegen und pflegen zu müssen. Auch wenn ich mir gern in den schönsten Farben ausmale, wie das wäre, ist es bei Lichte betrachtet natürlich fraglich, ob wir dann alle besser zurechtkämen. Und es gibt auch keine Statistik, nach der zu betreuende Väter im fortgeschrittenen Alter leichter zu handhaben sind als Mütter. Ja, statistisch gesehen gibt es sogar weitaus mehr Witwen als Witwer – aufgrund der höheren Lebenserwartung von Frauen und sicher auch deswegen, weil viele Frauen aus der Generation unserer Eltern mit älteren Männern zusammen waren. Daher hört man seltener von Konflikten mit allein zurückgebliebenen Vätern. Insgeheim erlaube ich mir zwar hin und wieder den Gedanken, dass es mit meinem Vater weniger Konflikte gegeben hätte, verwerfe ihn jedoch stets schnell wieder: Es ist nun einmal, wie es ist.
    Und so versuchen mein Bruder und ich beiden Rollen gerecht zu werden: Auf der einen Seite selbst Eltern zu sein, auf der anderen immer noch als Kinder behandelt zu werden. Wobei sich die zweite Rolle fast immer als die schwierigere gestaltet, denn im Umgang mit unserer Mutter
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