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Die Bruderschaft der Runen

Titel: Die Bruderschaft der Runen
Autoren: Michael Peinkofer
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Prolog
    Bannockburn Im Jahr des Herrn 1314
    D ieSchlacht war geschlagen.
    Der Himmel war düster und matt wie stumpfes Eisen, das jeden Glanz verloren hat. Die wenigen Fetzen von Blau, die den Tag über zu sehen gewesen waren, hatten sich hinter dichten Wolkenschleiern verborgen, die nun die Senke von Bannockburn mit tristem Grau überzogen.
    Die Erde schien die Düsternis des Himmels widerzuspiegeln. Schmutziges Braun und erdiges Gelb überzogen die karg bewachsenen Hügel, die das Marschland säumten. Das weite Feld ähnelte einem Acker, der vom Pflug eines Bauern aufgerissen worden war, damit er die Saat aufnähme; doch es war die Saat des Todes, die auf den Feldern von Bannockburn ausgebracht worden war.
    Im Morgengrauen waren sie einander begegnet: die Heere der Engländer, die unter ihrem unnachgiebigen Herrscher Edward IL einmal mehr versucht hatten, die aufsässigen Schotten in die Knie zu zwingen, und das Heer der schottischen Clansfürsten und Adeligen, die sich unter ihrem König Robert the Bruce zusammengeschart hatten, um einen letzten, verzweifelten Kampf um die Freiheit zu führen.
    Im rauen Sumpfland von Bannockburn waren sie aufeinander getroffen zu jener Schlacht, die endgültig über das Schicksal Schottlands entscheiden sollte. Am Ende hatten Roberts Mannen den Sieg davongetragen, doch er war teuer erkauft worden.
    Unmengen lebloser Leiber übersäten das weite Feld, lagen in morastigen Löchern, schauten mit blicklosen Augen und in stillem Vorwurf hinauf zum Himmel, in den sich die zerfetzten Banner der Standarten reckten. Der kalte Wind des Todes strich durch die Senke, und als hätte die Natur Mitleid mit dem Elend der Menschen, stieg sanfter Nebel auf, der sich fahl wie ein Leichentuch über die grausige Szenerie breitete.
    Nur hier und dort regte sich noch etwas; Verwundete und Verstümmelte, in denen kaum noch Leben war, versuchten mit heiseren Rufen auf sich aufmerksam zu machen.
    Die Räder des Ochsenkarrens, der sich durch den zähen Morast des Schlachtfelds wälzte, quietschten leise. Eine Schar von Mönchen war unterwegs, um inmitten der blutigen Körper nach Verwundeten Ausschau zu halten. Von Zeit zu Zeit hielten sie an, konnten jedoch meist nichts anderes mehr tun, als den Sterbenden mit einem Gebet den letzten Beistand zu leisten.
    Die Mönche waren nicht die Einzigen, die zu jener düsteren Stunde über das Schlachtfeld von Bannockburn wanderten. Aus dem dichten Nebel, dort, wo die Dunkelheit bereits nach den Senken griff, kamen zerlumpte Gestalten aus dem Unterholz gekrochen, die keinen Respekt vor dem Tod hatten und die die Armut dazu zwang, sich zu nehmen, was die Gefallenen auf Erden zurückgelassen hatten – Leichenfledderer und Diebe, die jeder Schlacht folgten wie die Aasfresser einer Viehherde.
    Lautlos huschten sie aus den kargen Büschen, bewegten sich krabbelnd wie Insekten über den Boden, um über die Toten herzufallen und sie ihrer Habe zu berauben. Hier und dort wurde gestritten, wenn es darum ging, ein gut erhaltenes Schwert oder einen Bogen in seinen Besitz zu bringen, und nicht selten wurden schartige Klingen gezückt, um eine Entscheidung herbeizuführen.
    Zwei der Diebe stritten sich um den seidenen Umhang, den ein englischer Edelmann in der Schlacht getragen hatte. Der Ritter würde ihn nicht mehr brauchen, die Axt eines schottischen Clansmannes hatte ihm den Schädel gespalten. Während die Diebe sich um den wertvollen Besitz zankten, tauchte unmittelbar vor ihnen plötzlich eine dunkle Gestalt aus dem Nebel auf.
    Es war eine alte Frau.
    Sie war klein an Wuchs und ging noch dazu gebückt, doch mit ihrem schwarzen Mantel aus grober Wolle und dem langen, schlohweißen Haar bot sie einen Furcht einflößenden Anblick. Zusammengekniffene Augen starrten aus tief liegenden Höhlen, und eine schmale Habichtsnase schien die von Falten zerfurchten Züge der Alten in zwei Hälften zu teilen.
    »Kala«, zischten die Diebe entsetzt, und im nächsten Augenblick war der Kampf um den Umhang entschieden. Treulos ließen die Fledderer das gute Stück zurück und flüchteten sich in den Nebel, der jetzt immer dichter aus der Senke stieg.
    Die alte Frau blickte ihnen missbilligend hinterher. Sie empfand keine Zuneigung für jene, die die Ruhe der Toten störten, auch wenn es der Kampf ums nackte Überleben war, der die meisten dazu trieb. Mit ihren wachen, wasserblauen Augen hielt die Alte Umschau und erspähte durch den Nebelvorhang die schemenhaften Umrisse der Mönche,
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