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Ein Jahr in Stockholm

Titel: Ein Jahr in Stockholm
Autoren: Veronika Beer
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über das dubba im deutschen Kino und Fernsehen lustig gemacht hat, in dem alles Ausländische synchronisiert ist. – „Damit ihr auch ja nicht in die Verlegenheit kommt, eine Fremdsprache zu beherrschen!“
    Das Angebot „Nimm zwei, zahl eins“ gilt in Schweden auch auf sprachlicher Ebene. Neben meinem Schwedisch ist es auch mit dem Englischen steil bergauf gegangen. Das liegt daran, dass die meisten Filme und Serien aus den USA stammen und lediglich textat , also mit schwedischem Untertitel versehen sind. In einem Land mit weniger Einwohnern als Paris lohnt es sich nicht, das Original neu zu vertonen. Da laufen zur besten Sendezeit selbst rumänische, norwegische und französische Streifen mit kleinen Hilfszeilen. Nachts war mir oft Kommissar Rex begegnet, und just an diesem Morgen hatte mich der Simpsons-Clown mit einem deutschen „Oh, mein Papa“ geweckt.
    Auf der Kungsgatan erkenne ich Anders am schwarzen Ledermantel zwischen all den blinkenden Casinos und Bio- Leuchtschriften, hinter denen ein vegetarischer Freund bei seinem Besuch im Sommer ein Reformhaus vermutete. Doch wo bio draufsteht, ist in Schweden ein Kino drin.
    „Bereit für den ganz normalen Sprachwahnsinn?“, ruft mir Anders entgegen. „ Sure! Schon lange. Du med? On y va! “, antworte ich im Vorbeigehen und freue mich über sein perplexes Gesicht. Dafür hatte ich in der t-bana geübt.
    Bei unserem Sitz- und Sehmarathon erfährt jedoch Anders Genugtuung, als wir dreimal die Werbung eines großen deutschen Elektronikmarkts zu sehen bekommen, in dem meine altmodisch gekleideten Landsleute ein Schwedisch sprechen, das an akzentuierter Dummheit nicht zu übertreffen ist.

    Ich identifiziere Bengt bereits an seinen Holzclogs im Treppenhaus, renne aus der Küche und beobachte ihn über den Spion. Statt zu klingeln und zu einer fika hereinzukommen, schiebt er allerdings nur schnell ein Bündel durch den Türschlitz – Post für mich, die noch in der Skeppargatan gelandet war. Darunter ist eine Postkarte ohne Absender.
    Triff mich Donnerstag um 19 Uhr an der blauen Pforte, Djurgårdsvägen 64!
    Ich erkenne Sverkers Handschrift und finde es fast schon schade, dass er mich nicht mehr so leicht täuschen kann. Bengt verabschiedet sich unterdessen mit Klack-klack-tock-tock über den Steinboden im Parterre.
    Blå Porten , die blaue Pforte oder auch blaue Haustür, stellt sich als charmantes Restaurant auf Djurgården heraus, in das Sverker seinen Sprachkurs ein letztes Mal zum Essen einlädt. Es muss herrlich sein, hier im Sommer bei einer fika am Springbrunnen unter den Bäumen zu sitzen. Ich geselle mich zu den Finnen an die Fensterfront und lausche einemGespräch über schwedische Männer, die – da nützen auch meine Einwände nichts – in den Augen der Finnen durch die Bank homosexuell sind. Das ist wohl die Rache dafür, dass f inne im Schwedischen Pickel bedeutet. Als der Engländer und die Japanerinnen auftauchen, erinnere ich mich an die nervenaufreibende Zeit mit ihnen vor der Schwedischprüfung und bestelle das Teuerste auf der Karte: Fjordlachs in heller Soße.
    „Seit wann magst du denn Fisch?“, hakt der Engländer ein und runzelt demonstrativ seine Sommersprossenstirn: „Konsistenz und so.“ – „Weißt du, manche Menschen entwickeln sich in der Fremde weiter“, entgegne ich. „Hör mal, ich hab mich auch ganz schön gut gemacht. Du weißt ja nicht, wie ich früher war!“ Er ist gekränkt, zumindest schaut er so. Ich grinse: „Gut. Der Vorher-nachher-Vergleich fehlt mir natürlich. Ich nehme also an, dass dich Stockholm sehr zum Positiven verändert hat.“ – „Kannst du glauben! Und wir zwei hatten doch viel Spaß miteinander, würde ich sagen. Wenn du möchtest, überlasse ich dir als Deutscher sogar eure heiligen Kartoffeln.“ Es stimmt. Auf seine besondere Art hat selbst er zu einem wunderschönen Jahr in der Stadt beigetragen.
    Beim Essen verteilt Sverker die Zeugnisse, die allen einen guten Lernprozess und eine ausgezeichnete Gesundheit attestieren. In einem persönlichen Schlusssatz bescheinigt er mir die in Schweden so wichtige Teamfähigkeit, überwiegende Einheit mit meinem inneren Ich, eine optimistische Ausstrahlung und einen kreativen Umgang mit Präpositionen. Damit kann ich gut leben.
    Und wer hätte es gedacht: Selbst der Fisch ist ein Gedicht. Oder, wie es Sverker sinngemäß zum Abschied in die Runde ruft: „ Mums mums , mit Lachs bin ich ein froher Max.“

december
    Mit Glanz und Gloria siegen die
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