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Die blonde Witwe

Die blonde Witwe

Titel: Die blonde Witwe
Autoren: Alexander Borell
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Recht, über Ihr und das Leben anderer zu entscheiden.«
    Er lachte laut auf.
    »Ach nein? Und wer gibt anderen das Recht dazu? Die Bankiers nehmen es sich, die Reeder, die Waffenfabrikanten, alle verschachern sie unser Leben, meines und Ihres, junger Mann. Recht! Ein blödsinniges Wort für die Dummen, die dran glauben und sich auch noch freuen, wenn die Kirche die Waffen segnet!«
    Ich wußte, daß ich ihm nicht mehr lange gewachsen sein würde.
    »Und Ihre Tochter?« fragte ich. »Haben Sie niemals an Andrea gedacht?«
    Seine Finger spielten mit dem leeren Glas; sie drehten es hin und her, wie vorhin die Zigarette. Er atmete tief ein und aus, stellte den leeren Rahmen wieder auf und sagte: »Natürlich habe ich an sie gedacht. Sie ist jung und gesund und außerdem nicht dumm. Mädchen heiraten eines Tages und sind für jeden Vater verloren.«
    »Sie wird bettelarm sein.«
    »Das war ich nach dem Zusammenbruch auch. Armut ist eine bessere Schule als das Internat, in dem sie jetzt dummes Zeug lernt, das mit dem wirklichen Leben nichts zu tun hat.«
    »Gut«, sagte ich und stand wieder auf. »Ich glaube, das wäre nun alles. Es jagt einem kalte Schauer über den Rücken, wenn man dran denkt, daß es mehr von Ihrem Kaliber gibt.«
    Ich holte die Pistole wieder aus meiner Tasche und legte sie vor ihm auf den Schreibtisch.
    »Damit ist Peter Heidemann von Ihnen erschossen worden.«
    Er nahm sie in seine schmale, gepflegte Hand, drehte sie hin und her und sah mich zweifelnd an.
    »Geladen?« fragte er.
    »Ein Schuß ist drin«, sagte ich.
    Er hielt sie abwägend in der Hand und blickte mich schweigend an.
    Ich drehte mich um und ging zur Tür. Wenn er wollte, konnte er mich nun erschießen. Ich öffnete die Tür und ging hinaus, schloß sie hinter mir und stieg die Treppe hinunter.
    Ohne mich umzusehen, ging ich den Feldweg entlang zum See.
    Als ich etwa fünfzig Meter vom Haus entfernt war, hörte ich den Schuß.
    Sie kamen den Weg heraufgerannt, schwitzend und keuchend, in ihren warmen, grünen Uniformen, und sie stutzten, als sie mich sahen.
    »Was — was ist los?« fragten sie durcheinander. »Wir dachten schon... Wir haben gemeint, es sei Ihnen was passiert...«
    »Jakob Bernrieder, in Wirklichkeit Paul Duklas, hat sich erschossen. Geben Sie das über Funk an Ihren Dienststellenleiter durch, und er soll den Oberinspektor Margreiter in München verständigen. Fassen Sie die Pistole nicht an, meine Fingerabdrücke sind darauf, aber darüber sind seine.«
    Sie waren unschlüssig, ob sie mich mitnehmen oder weitergehen lassen sollten.
    »Los«, sagte ich. »Gehen Sie hinauf und sorgen Sie droben für Ordnung.«
    Sie gingen, und ich ging auch.
    Ich ging zu meinem Wagen, ließ Hesekiel heraus und wartete, bis er getan hatte, was er mußte, und dann setzte ich mich ans Steuer. Aber ich fuhr noch nicht los. Erst einmal versuchte ich, in das Ordnung zu bringen, was geschehen war und in das, was mir noch zu tun blieb.
    Schließlich fuhr ich die Straße zurück, die ich vor anderthalb Stunden heraufgekommen war.
    Vor anderthalb Stunden hatte sich Paul Duklas vielleicht noch auf seinen Nachmittagskaffee gefreut, hatte eine kleine Plauderei mit einem seiner Pensionsgäste gehabt — »Herrliches Wetter heute. Was machen Sie heute abend? Wie wär’s mit einem kleinen Skat?« —, und jetzt war er tot. Nichts mehr als ein toter Mörder.
    Ich fuhr durch Bad Reichenhall, an der Bahn entlang wieder hinauf nach Bayrisch Gmain, durch den steinigen Hohlweg bis zum Haus »Bergblick«. Genau da, wo ich gestern morgen den grünen Ghia hatte stehen lassen, parkte ich jetzt meinen alten, schäbigen Opel. Und Hesekiel hatte heute seinen Wartetag, er blieb sitzen.
    Im Park waren keine jungen Mädchen, das Haus lag still, als hätten hier niemals junge Mädchen gelacht, gesungen und gespielt. Auch die Haustür war heute verschlossen.
    Auf mein Klingeln öffnete mir das kleine Pummelchen mit den Sommersprossen und dem roten Schimmer im Haar. Und wie gestern sagte ich: »Ich möchte Fräulein Andrea Duklas sprechen.«
    »Sind alle weg«, sagte die Kleine. »Heute ist Wandertag. Sie haben einen Ausflug auf den Predigtstuhl gemacht. Aber Sie werden erwartet. Bitte, kommen Sie herein.«
    »Von Frau Gregorius?« Ich hatte wenig Lust, meine Zeit mit der Alten zu vertrödeln, folgte dem Pummelchen aber doch in die Halle.
    »Hier bitte«, sagte sie und öffnete eine Tür.
    Ein Zimmer mit Biedermeiermöbeln aus Kirschholz, zarten Vorhängen und vielen
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