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Die blonde Witwe

Die blonde Witwe

Titel: Die blonde Witwe
Autoren: Alexander Borell
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eine Notwendigkeit. Ich brauchte Geld, ich brauchte die halbe Million. Der Gedanke, einen anderen für mich umzubringen, lag doch auf der Hand. Nur das Wie hat mich eine Weile beschäftigt, bis ich gewissermaßen meinen Generalstabsplan in der Tasche hatte.«
    »Sie hatten doch ein schönes, großes Hotel in der Tasche. War Ihnen das nicht genug?«
    Er verzog das Gesicht und winkte ab.
    »Das Hotel! Gut, ich habe es nach dem Krieg geheiratet. Zugleich aber auch eine Frau, die mich wie einen dummen Jungen behandelte, weil ich nur gelernt hatte, Flugzeuge abzuschießen. Und mein Schwiegervater, ein kleiner Kaufmann, hatte auf Gütertrennung bestanden. Ich war in diesem Hotel nichts anderes als ein gut aussehender Empfangschef. Sie haben es mich spüren lassen, bei jeder Gelegenheit.«
    Er stand auf. Sein Gesicht war blaß geworden. Er holte aus einer alten Bauerntruhe eine Flasche und zwei Gläser, stellte beides auf den Tisch und sagte zu mir: »Bitte, bedienen Sie sich, wenn Sie mögen. Vielleicht vertragen Sie meine Geschichte mit einem Kognak besser.« Er trank und fuhr dann fort: »Ich habe das nicht lange ertragen und fing an, heimlich Geld aus dem Laden zu ziehen. Ich nahm fingierte Kredite auf, verbuchte sie und zahlte sie auch prompt zurück, natürlich an mich selber. So dumm, wie die meinten, war ich nämlich auch wieder nicht. Sie haben die verschleierte Transaktion ewig nicht gemerkt. Und für das Geld habe ich mir einen Bauernhof gekauft. Diesen hier, Herr Petersdorff. Und kein Mensch wußte etwas davon, nicht einmal die Polizei, weil ich einen zweiten Paß besaß. Der stammte noch von 1945, als alles drunter und drüber ging, da bekam ich ihn in die Finger und hob ihn auf. Seitdem war ich hier der Jakob Bernrieder. Es lief alles großartig.«
    »Und dann starb Ihre erste Frau? Da hätte das Hotel doch Ihnen allein gehört?«
    »Eben nicht. Sie starb, und Andrea hatte das Hotel geerbt. Und mein Schwiegervater hatte den Daumen drauf. Es blieb alles beim alten.«
    Er machte eine Pause, trank und sah mich fragend an.
    »Sie trinken nicht? Wie Sie wollen. Kurz und gut, ich habe wieder geheiratet, ich habe die Bilanz weiter verschleiert, habe den alten Koofmich nach Strich und Faden hereingelegt und den >Seeadler< bewußt ruiniert. Denn hier in Reichenhall, da hatte ich aufgebaut, das gehörte mir allein und niemand konnte mir dreinreden. Schließlich aber sah ich nicht ein, weshalb ich hier so klein bleiben sollte. Ich wollte ausbauen, modernisieren, anbauen und vergrößern. Dazu brauchte ich neues Geld, und der >Seeadler< brachte keins mehr. Schließlich kam Erna — Frau Heidemann dazwischen. Eine hübsche Person, nicht so ängstlich wie meine Frau, und Köpfchen. Sie wollte ihren Mann loswerden, und ich brauchte die halbe Million. Da arrangierte sich alles fast von selber.«
    Er lachte, als habe er soeben eine kurzweilige Episode aus seiner Familienchronik zum besten gegeben. Ida sagte: »Da haben Sie also Peter Heidemann im Zug erschossen, nachdem Sie einen Trottel namens Petersdorff gefunden hatten, der bereit war, Ihnen die Kastanien aus dem Feuer zu holen?«
    »Genau«, sagte er. »Dieser alte Bock kam sofort nach München, als Erna ihm Chancen gab. Und dann soffen wir eine halbe Nacht zusammen, und er war ganz leicht in den Zug zu bugsieren.«
    »Mein Gott«, sagte ich. »Gibt es denn nichts, was Sie aus der Ruhe bringt?«
    Er musterte mich abschätzend.
    »Ich habe es gelernt, Haltung zu bewahren, mein Lieber. Ihr Gesicht drückt Ekel und Entrüstung aus. Falsch, mein Lieber, ist alles nur Mache. Der Heidemann interessiert Sie im Grunde genausowenig, wie die Fliege dort an der Wand. Er interessiert überhaupt keinen Menschen, und alle deutschen Richter und Staatsanwälte sind heute an ihrem Abendessen mehr interessiert, als an einem gewissen Peter Heidemann. Er hätte genausogut an Magenkrebs sterben oder überfahren werden können. Wen hätte das schon groß gestört?«
    Er platzte beinahe vor Überheblichkeit, dieser Kerl, und sicherlich war er selber — wie er so in seinem grauen Lodenanzug und dem weißen Hemd mit der grünen Krawatte und der Nadel aus Hirschgrandeln vor mir saß — von seiner eigenen Bescheidenheit felsenfest überzeugt.
    Kalte Wut stieg in mir auf. Dieser Mensch brachte es fertig, für alles eine teuflische Logik zu finden, er brachte es fertig, aus mir einen Hanswurst zu machen, der zuhörte, mit den Händen an der Hosennaht.
    Ich hatte eine Pistole in der Tasche mit einem
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