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Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste

Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste

Titel: Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste
Autoren: Eric Walz
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Erster Teil
Zwischen
Himmel und Hölle
Der vierte Adventstag, Anno Domini 963
»Eine Leiche?«, rief Liudprand von Cremona und reckte seinen Schildkrötenkopf aus der schwarzen Kutte. Er hielt die Luft an und überflog das Pergament noch einmal mit zusammengekniffenen Augen. Seine Arme zitterten leicht. Als er es merkte, blickte er aus den Augenwinkeln zu dem Mann neben ihm und stützte die Ellenbogen auf der wuchtigen Platte des Sekretärs ab. Er schmatzte und schluckte mehrmals, legte das Pergament auf den Stapel mit den restlichen Papieren des Berichts zurück und hauchte: »Tatsächlich! Eine Leiche vor Gericht.«
    Liudprand zog den Umhang um seine Schultern enger, krampfte seine Hände um den Stock und hinkte langsam zum Kamin. Er versuchte vergeblich, sich dort zu wärmen. Das kleine Feuer kam nicht gegen den Winter an. Dieser östliche Teil der Engelsburg war schlecht ausgestattet. Kein Teppich zierte Wand oder Boden, die Fensterläden ließen den Wind durch Löcher und Spalten pfeifen, und außer dem Bett und dem Sekretär verlor sich nur noch ein kleiner Tafeltisch in dem lang gezogenen Raum. Liudprand knurrte, doch welche Wahl hatte er? Schließlich konnte er ja wohl schlecht seine Erzrivalin um eines ihrer Gemächer bitten. »Und diese . . . diese Person war dabei?«, fragte er in den lodernden Kamin hinein.
    »Mittendrin.«
    Wieder knurrte Liudprand.
    »Ich wusste nichts davon«, gab er widerwillig zu.
    Suidger von Selz lehnte sich entspannt zurück. Es war ihm eben geglückt, den Bischof von Cremona und kaiserlichen Gesandten für einen kurzen Moment zu verunsichern, und das war viel wert in der Auseinandersetzung gegen jemanden, den alle den »Jagdhund Gottes« nannten. Doch Suidger wusste auch, dass er noch ganz am Anfang seiner heiklen Aufgabe stand. Liudprand hatte Witterung aufgenommen, und es würde viel Geschick brauchen, ihn von der Fährte wegzulocken.
    »Es ist auch schon siebenundsechzig Jahre her«, erklärte Suidger. »Weder Ihr, Exzellenz, noch ich waren damals schon geboren. Sie aber war zarte sechs Jahre alt und . . .«
    Liudprand wandte sich um. »Das genügt«, rief er. »Der Vorfall ist von keinerlei Bedeutung für meine Untersuchung. Sie wird morgen vor Gericht gestellt, und dabei bleibt es.«
    »Aber Exzellenz«, empörte Suidger sich. »Der Vorfall erklärt anschaulich, dass Marocia entgegen Eurer Annahme bereits von frühester Kindheit an auf unserer Seite . . .«
    Das Stampfen von Liudprands Stock hallte von den Wänden wider. »Genug, habe ich gesagt. Ich will nichts mehr davon hören.« Liudprand wandte sich wieder dem Feuer zu, doch als er ihm seine Hände entgegenstreckte, zitterten sie. Wie zum Schutz umfassten seine Finger erneut den Stock. »Die Kindheit dieser . . . Person mag Euch einen Bericht wert sein, denn Ihr seid ihr Verteidiger . . .«
    »Verhandlungsführer«, berichtigte Suidger.
    Liudprand murrte in sich hinein. »Meine Untersuchung jedoch befasst sich nicht mit Dingen, die vor fast zwei Menschenaltern vorgefallen sind, sondern«– er fuchtelte mit dem Stock in Richtung des geschlossenen Fensters –»mit dem, was da draußen geschehen ist – mit Verrat.«
    »Damit hat sie nichts zu tun. Sie hat lediglich versucht . . .«
    »Schweigt«, befahl Liudprand mit einer Kraft, die man seiner dürren Kehle kaum zugetraut hätte.
    Suidger war zu klug, um sich mit dem Gesandten jetzt ein Wortgefecht zu liefern. Er rieb sich seinen vollen braunen Bart, der sein halbes Gesicht bedeckte, und ging stumm zu einem der Fenster. Ein knapper Stoß seiner kräftigen Rechten genügte, um den Laden aufzuklappen. Sofort wehte Suidgers Ordensgewand im eisigen Abendwind und schmiegte sich eng um seinen rundlichen Bauch. Es dauerte eine Weile, bis seine Augen sich an die Böen gewöhnt hatten und aufmerksam die Umgebung beobachten konnten. Tausende kleiner Rauchfäden stiegen aus Schornsteinen und von Lagerfeuern in den grauen Himmel über Rom. Auf dem anderen Tiberufer standen verlassene Katapulte und sonstige Belagerungsgeräte herum, vom Raureif einer bitterkalten Nacht überzogen. Und unten im Hof lagerten jene Bewaffneten, mit denen Liudprand vor einigen Tagen die Engelsburg und die Basilika des heiligen Petrus aus der Umklammerung der aufständischen Römer befreit hatte. Doch keine fünfhundert Schritte von hier endete Liudprands Macht bereits. Er hatte viel zu wenige Soldaten mit auf den Weg bekommen, um die ganze Stadt zu erobern. Da draußen, hinter den Mauern der
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