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Die blonde Witwe

Die blonde Witwe

Titel: Die blonde Witwe
Autoren: Alexander Borell
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kleinen Familienbildern an den Wänden.
    Oberinspektor Margreiter stand auf, als ich eintrat. Er kam mir zwei Schritte entgegen, dann schimpfte er los: »Sie — Sie Unglücksrabe! Was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht? Wie können Sie es wagen, uns derartig ins Zeug zu pfuschen? Grinsen Sie nicht so unverschämt! Das Grinsen wird Ihnen noch vergehen, wenn ich...«
    »Wenn Sie mich auch einmal zu Worte kommen ließen. Worum handelt es sich denn? Offenbar wissen Sie doch schon, daß der Mörder von Peter Heidemann tot ist.«
    »Das ist ja die Schweinerei!« schrie er mich an. »Wir sind doch nicht Ihre Hampelmänner! Ich werde Sie vor Gericht stellen!«
    »Na, schön«, sagte ich. »Immerhin stehe ich dann nicht als Mörder dort, wie es der Fall gewesen wäre, wenn... Aber lassen wir das jetzt. Bitte präzise: Was werfen Sie mir vor?«
    »Daß Sie dem Kerl Gelegenheit gegeben haben, sich sozusagen vor Ihren Augen seiner Strafe zu entziehen.«
    Ich setzte mich, zündete mir eine Zigarette an und sah zu ihm auf. Seine grauen Augen waren dunkel vor Ärger, und sein schütteres blondes Haar über dem runden Schädel deutete auf Sturm.
    »Wie hättet ihr ihn denn bestraft? Lebenslänglich, nicht wahr? Und nach zwanzig Jahren wegen guter Führung begnadigt. Er hat für sich die Todesstrafe gewählt. Also was wollen Sie?«
    »Sie haben...«
    »Ich habe mich keiner Begünstigung schuldig gemacht, und Beihilfe zum Selbstmord ist nicht strafbar. Nun setzen Sie sich endlich und lassen Sie vernünftig mit sich reden. Was ist mit Holzinger?«
    »Sitzt. Er hat zuerst alles abgeleugnet, war aber zu dumm, um es durchzustehen. Widersprüche und schließlich Geständnis.
    Aber lenken Sie nicht ab: Sie wollen doch nur als der Held dastehen, der klüger ist als die Polizei, und Sie wollen jetzt Ihren Artikel verkaufen. Dafür allerdings haben Sie jetzt einen einmaligen Aufhänger.«
    »Irrtum«, sagte ich. »Aber so setzen Sie sich doch, Ihr Herumgelaufe macht mich ganz nervös.« Tatsächlich setzte er sich, und ich fuhr fort: »Erstens habe ich aus reinem Mitgefühl gehandelt und...«
    Er sprang wieder auf.
    »Mitgefühl?« rief er. »Hat man da noch Worte! Mitgefühl mit einem Mörder! Oh diese verdammten Presseleute! Haben Sie...«
    »Irrtum«, sagte ich. »Paul Duklas war mir völlig schnuppe. Aber was Sie ewiger Polizist sich nicht ausdenken können: ich habe es wegen Andrea getan. Können Sie sich denn gar nicht vorstellen, was es für ein junges Mädchen bedeutet, wenn der Vater als Mörder lebenslänglich im Zuchthaus sitzt? Auf Gesellschaften, im späteren Leben, im Beruf oder was weiß ich, immer die gleiche Antwort geben müssen: Mein Vater sitzt im Zuchthaus. Sehen Sie, jetzt machen Sie Augen. Daran haben Sie nicht gedacht.«
    »Hm«, murrte er. »Dazu — dazu bin ich auch nicht da.«
    »Sie haben Ihre Pflicht getan, ich die meine. Manchmal gibt es zweierlei Pflichten.«
    »Hm, ja... Von der Seite aus...«
    »Und zweitens: ich werde den Artikel nicht schreiben. Und Sie werden auch allen Grund haben, Gras über dieser trüben Geschichte wachsen zu lassen, die kein Ruhmesblatt für die Kripo ist. Ich glaube, wir sollten alle den Mund halten.«
    »Hm, ja... Von der Seite aus...«
    »Und drittens wird es jetzt höchste Zeit, daß ich Ihnen einmal die Wahrheit sage, Herr Oberinspektor. Ich habe Sie früher, und auch noch vor ein paar Tagen, für ein höchst mittelmäßiges Talent gehalten, für den Leiter eines ziemlich unbedarften und müden Haufens. Erlauben Sie, daß ich mich dafür in aller Form entschuldige. Sie waren mindestens genausogut wie ich.«
    Um seine Mundwinkel zuckte es.
    »Hm, ja«, sagte er. »Wenn ich es mir recht überlege, dann habe ich auch von Pressefritzen bisher eine andere Meinung gehabt. Allerdings will ich sie hier nicht präzisieren. Jedenfalls... Werden Sie den Artikel wirklich nicht schreiben?«
    »Nein.«
    »Ja, ich muß sagen — wenn alle Journalisten so wären...«
    »Und wenn alle Kriminalbeamten so wären...«
    Wir schüttelten uns lachend die Hand. Dann wurde er wieder ernst.
    »Es war doch seine Pistole?«
    »Selbstverständlich«, sagte ich. »Niemals hätte ich es gewagt, ihm meine zu geben.«
    »Er hat ganz plötzlich danach gegriffen, Sie konnten es nicht mehr verhindern?«
    »Nein, ich könnte es unmöglich verhindern.«
    »Gut«, sagte er. »Man muß ein reines Gewissen haben, wenn man ein Protokoll schreibt. A propos reines Gewissen: ich habe mit der Versicherung
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