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Die blonde Witwe

Die blonde Witwe

Titel: Die blonde Witwe
Autoren: Alexander Borell
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geschieht, die Erbschaft von Ihrem Vater ausschlagen, hören Sie?«
    »Ja, schon, aber...«
    »Jetzt kein Aber, Andrea. Vermutlich geht’s nicht so schnell, nur für alle Fälle: unterschreiben Sie in den nächsten Tagen nichts, gar nichts, wer immer es Ihnen vorlegt.«
    Sie nickte.
    Ich fing an, laut und andächtig zu husten. Das Zeichen für meinen Bewacher, der auch prompt hereingeschossen kam, ein Blatt Papier schwenkend.
    »Himmelsakra!« rief er mir zu. »Sie dürfen mit der Zeugin nicht sprechen!«
    Er setzte sich an seine Schreibmaschine, die für seine alten Finger viel zu neu war, und tippte bedächtig seinen Bericht über die Gegenüberstellung.
    »Die Zeugin Andrea Duklas hat in dem Vorgeführten eindeutig den Jeremias Petersdorff erkannt.«
    Dann brachte er Andrea hinaus. In der Tür warf sie mir noch einen kurzen Blick zu, in dem ich allerhand Vorteilhaftes und Vielversprechendes las.
    Ich hörte draußen den Wagen starten und davonfahren.
    »Gut gemacht«, lobte ich meinen rundlichen Freund, als er wieder hereinkam. »Sie hat bestimmt nichts gemerkt.«
    »No ja«, sagte er. »Da hamma scho ganz anderne Sach’n g’habt. Und da is der Bericht über den Bernrieder, den wo Sie angefordert haben.«
    Ich las:
    Bernrieder, Jakob, geb. 4.11.1902 in Höchst bei Frankfurt am Main, evangel., verwitwet, hier polizeilich angemeldet am 2.7.1956, Inhaber der Pension »Karlstein«, nicht vorbestraft.
    »Danke«, sagte ich und blickte auf die Uhr. »Es ist jetzt fünfzehn Uhr zehn. Ich werde Herrn Bernrieder einen Besuch abstatten. Sie hören dann wieder von mir. Ich melde mich, sobald ich zurück bin.«
    »Richtig«, sagte der Beamte. Es fiel ihm schwer, ernst zu bleiben. Offenbar freute er sich darüber, daß ich es ihm so leicht gemacht hatte, seinen Auftrag aus München durchzuführen und mich zu überwachen. Ich war überzeugt, daß er nun sofort Margreiter Bericht erstatten würde.
    Und genau das war es, was ich wollte.
    Ich verließ die Polizeistation und fuhr los, diesmal aber nicht in Richtung Bayerisch Gmain, sondern entgegengesetzt zum Thumsee. Ich war nervös, mußte mich auf der kurvigen Straße zusammenreißen, und außerdem hatte ich das Gefühl, als sei ich von einem Sprungturm in ein Schwimmbecken ohne Wasser gesprungen. Umkehren aber war nicht mehr möglich.

    Kurz vor dem See bog ich links ab auf einen Parkplatz. Ich holte die Pistole aus der Plastikhülle, entleerte das Magazin bis auf eine Kugel, ließ sie in den Lauf gleiten, sicherte die Waffe und steckte sie in meine Jackentasche.
    Als ich ausstieg, sauste mir etwas Winselndes, Bellendes und Schreiendes um die Beine, sprang an mir hoch, überschlug sich und war gänzlich außer sich vor Freude.
    »Hesekiel!« rief ich überrascht. »Wo kommst du denn her?«
    Die Antwort kam in Gestalt eines Landpolizisten aus den Büschen hervorgekrochen. Er hielt die Leine in der Hand und machte ein ziemlich hilfloses Gesicht.
    »Hauptwachtmeister Hubert?« fragte ich.
    »Jawohl«, sagte er. »Ich bin hier... Ich bin zufällig hier vorbeigekommen. Eigentlich habe ich heute ja dienstfrei, weil ich gestern im Dienst war, und da hat er sich plötzlich losgerissen und...«
    »Schon gut«, sagte ich. »Und wo steht Ihr Wagen mit dem Funk?«
    Er wurde rot, ein recht seltener Anblick bei einem Hauptwachtmeister.
    »Wagen? Wieso meinen Sie, daß ich...«
    Ich lachte und klopfte ihm auf die Schulter.
    »Vor ein paar Minuten haben Sie die Funkorder bekommen, hierherzufahren und auf mich aufzupassen. Also: wo sind Wagen und Kollege?«
    Er deutete mit der Hand in den Wald.
    »Dort, Herr Petersdorff.«
    »Gut, ich werde dichthalten. Tun Sie weiter so, als hätte ich Sie nicht bemerkt. Aber meinen Hund nehme ich jetzt nicht mit. Er wird hier im Wagen bleiben.«
    Hesekiel sprang in meinen Wagen, schnüffelte und schien ihn wiederzuerkennen. Ich ließ die Scheiben halb offen, sperrte aber die Türen ab, und dann sagte ich zu dem Polizisten: »Oberinspektor Margreiter hat mir ausdrücklich zugesichert, daß meine Überwachung diskret und unauffällig erfolgen würde. Laufen Sie mir also jetzt nicht nach. Wenn mein Kunde auch nur einen Schimmer von Ihrer Uniform sieht, ist alles verpatzt. Und ich müßte Sie dafür verantwortlich machen. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«
    Er legte die Hand an seine grüne Mütze.
    »Jawoll, Herr Petersdorff«, sagte er. Man braucht manchen deutschen Beamten nur mit Verantwortung zu drohen, und schon geben sie jeglichen Widerstand
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