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Alter Adel rostet nicht

Alter Adel rostet nicht

Titel: Alter Adel rostet nicht
Autoren: P. G. Wodehouse
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1
    Ich tastete mich mit einer Hand langsam unter der Bettdecke hervor und läutete nach Jeeves.
    »Guten Abend, Jeeves.«
    »Guten Morgen, Sir.«
    Ich stutzte.
    »Ist es Morgen?«
    »Jawohl, Sir.«
    »Sind Sie sicher? Draußen sieht es ziemlich finster aus.«
    »Es herrscht Nebel, Sir. Wir haben, wie Sie sich erinnern werden, Herbst – die Zeit der Nebel und der prallen Früchte.«
    »Die Zeit der was?«
    »Der Nebel, Sir, und der prallen Früchte.«
    »Ach so. Ja, ich verstehe. Na, wie dem auch sei, mixen Sie mir bitte mal einen von Ihren Muntermachern.«
    »Es steht bereits einer im Kühlschrank bereit, Sir.«
    Gravitätisch ging er hinaus, und ich richtete mich in den Kissen auf, wobei ich mich fühlte, als würde ich in ungefähr fünf Minuten das Zeitliche segnen. Sie kennen das sicherlich auch. Am Abend zuvor hatte ich nämlich im Drones Club ein kleines Abschiedsessen zu Ehren meines Freundes Gussie Fink-Nottle gegeben, der im Begriff war, den Bund fürs Leben mit Madeline Bassett, der einzigen Tochter von Sir Watkyn Bassett, C. B. E., zu schließen, und solche Feiern bleiben nun mal nicht ohne Folgen. Kurz bevor Jeeves hereinkam, hatte ich geträumt, irgendein Unhold sei dabei, mir Eisenpflöcke in den Schädel zu hämmern, und zwar nicht x-beliebige Eisenpflöcke, wie sie zum Beispiel Jahel, das Weib des Heber im Alten Testament benutzte, sondern rotglühende Eisenpflöcke.
    Jeeves kam mit dem Stärkungstrunk zurück. Ich kippte das Zeug herunter. Wie jedesmal, wenn ich Jeeves’ selbstgebraute Katerkur trinke, hatte ich einen Augenblick lang das unangenehme Gefühl, als sprengte es mir die Schädeldecke, und die Augen flögen mir aus dem Kopf und prallten wie Tischtennisbälle von der gegenüber liegenden Wand zurück. Aber dann fühlte ich mich wohler. Es wäre zwar übertrieben zu behaupten, daß Bertram jetzt schon wieder in Hochform gewesen war, aber zumindest befand ich mich auf dem Weg der Besserung und fühlte mich zu einer Plauderei imstande.
    »Hui!« keuchte ich und brachte die Augäpfel wieder in Position. »Na, Jeeves, was gibt es Neues? Ist das die Zeitung von heute?«
    »Nein, Sir, das sind einige Broschüren aus dem Reisebüro. Ich dachte, daß Sie vielleicht einen Blick darauf werfen wollen.«
    »So, so«, sagte ich, »dachten Sie das?«
    Worauf eine kurze und, wie man so sagt, bedeutungsvolle Stille eintrat.
    Wenn zwei willensstarke Persönlichkeiten auf engem Raum zusammenleben, dann sind gelegentliche Meinungsverschiedenheiten wohl unvermeidlich, und eine solche hatte sich vor kurzem auch im Hause Wooster zugetragen. Jeeves versuchte nämlich hartnäckig, mich zu einer Weltreise zu animieren, und ich wollte davon partout nichts wissen. Aber trotz meiner unmißverständlichen Absage verging kaum ein Tag, an dem er mir nicht ein ganzes Paket dieser bunten Prospekte anbrachte, mit denen die Touristikbranche auf Kundenfang geht. Man mußte unwillkürlich an einen eifrigen Jagdhund denken, der einem wieder und wieder eine tote Ratte auf den Wohnzimmerteppich legt, obwohl man ihm schon mehrmals durch Worte und Gesten zu verstehen gegeben hat, daß der Bedarf an Ratten gering oder gleich null ist.
    »Jeeves«, sagte ich deshalb, »hören Sie endlich damit auf!«
    »Reisen bildet, Sir.«
    »Was soll ich denn mit noch mehr Bildung? Ich hatte schon vor Jahren genug davon. Nein, Jeeves, ich weiß, was mit Ihnen los ist. In Ihnen rührt sich mal wieder der alte Wikinger. Sie lechzen nach Salzwasser und steifer Brise und sehen sich im Geiste schon mit Seemannsmütze an Deck promenieren. Vielleicht hat Ihnen auch jemand was von Hula-Hula-Mädchen erzählt. Dafür habe ich durchaus Verständnis. Aber nicht mit mir! Ich weigere mich, so einen Hochseedampfer zu besteigen und mich um die Welt schippern zu lassen.«
    »Sehr wohl, Sir.«
    In seiner Stimme lag so ein gewisser Unterton. Er klang zwar nicht direkt unwirsch, aber ich merkte doch, daß er alles andere als wirsch war, und deshalb wechselte ich das Thema.
    »Das war gestern ein sehr netter kleiner Herrenabend, Jeeves.«
    »Tatsächlich, Sir?«
    »Ja, sehr nett. Wir haben uns prächtig amüsiert. Gussie läßt Sie grüßen.«
    »Das ist sehr liebenswürdig, Sir. Ich hoffe, Mr. Fink-Nottle war guter Dinge?«
    »Er war erstaunlich guter Dinge, wenn man bedenkt, daß sein Leben in Freiheit zu Ende geht und er demnächst Sir Watkyn Bassett zum Schwiegerpapa haben wird. Darum beneide ich ihn wirklich nicht, Jeeves.«
    Ich sagte das mit dem Brustton
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