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Das Tar-Aiym Krang

Das Tar-Aiym Krang

Titel: Das Tar-Aiym Krang
Autoren: Alan Dean Foster
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    Der Flinx war ein ethischer Dieb, denn er stahl nur von solchen, die es mit dem Gesetz nicht ganz genau nahmen. Und auch das nur, wenn es absolut notwendig war. Nun, vielleicht nicht absolut. Aber er versuchte es wenigstens. Seiner Umgebung entsprechend war seine Moral notwendigerweise in hohem Maße anpassungsfähig. Und wenn man alleine lebt und seinen siebzehnten Sommer noch nicht erreicht hat, muß man in solchen Dingen etwas großzügig sein.
    Man könnte nun natürlich sagen, falls der Flinx bereit wäre zuzuhören (ein höchst unwahrscheinlicher Umstand), daß die endgültige Entscheidung, von wem man nun sagen könne, daß er es mit den Gesetzen genau nehme oder nicht, eine höchst totalitäre wäre. Ein Philosoph würde wissend beifällig nicken. Flinx konnte sich solchen Luxus nicht leisten. Seine Ethik wurde vom Kampf ums Überleben und nicht von abstrakten Begriffen bestimmt. Man mußte es ihm hoch anrechnen, daß er es bis zur Stunde geschafft hatte, so weit auf der akzeptablen Seite der augenblicklichen Moralbegriffe zu bleiben, wie das bei ihm der Fall war. Andererseits mußte man fairerweise auch dem Zufall einen Teil dieses Lobes zukommen lassen.
    Aber in der Regel erwarb er sich seinen bescheidenen Lebensunterhalt meist auf ehrliche Weise. Und das war nicht nur eine Frage der Vernunft, sondern auch die seines freien Willens. Ein zu erfolgreicher Dieb zieht immer zuviel unerwünschte Aufmerksamkeit auf sich. Und zu guter Letzt wirkt sich dann so etwas wie ein kriminalistisches Naturgesetz aus, welches besagt, daß zwar von nichts nichts kommt, daß aber allzuviel auch ungesund ist.
    Und außerdem waren die Gefängnisse von Drallar notorisch ungastlich.
    Gute Plätze für reisende Jongleure, Minnesänger und dergleichen, auf denen diese in der Stadt ihr Talent zur Schau stellen konnten, gab es nur wenige. Und einige davon waren wesentlich besser als andere. Daß es ihm bei seinem vergleichsweise bescheidenen Alter gelungen war, sich einen der besten davon zu sichern, war in gleichem Maße seinem Glück und der Hartnäckigkeit der alten Mutter Mastiff zuzuschreiben. Von seiner frühesten Jugend an hatte sie die kleine, etwas erhöhte Plattform neben ihrem Laden für ihn reserviert und alle anderen Schausteller mit der Kraft ihrer Stimme oder, wenn es sein mußte, auch mit Waffengewalt vertrieben, je nachdem, wie es die Umstände und die Hartnäckigkeit des Eindringlings notwendig machten. Sie hieß natürlich in Wirklichkeit nicht Mutter Mastiff, aber so nannten sie alle. Flinx eingeschlossen. Auf Drallars Marktplatz hielt man nicht viel von nichtigen Namen. Zur Identifizierung taugten sie nicht viel, dafür nützten sie aber den Steuereintreibern um so mehr. Und so ergab es sich, daß jedem neuen Bewohner schnell ein passender Name zugeteilt wurde. Mutter Mastiff beispielsweise glich der terranischen Hunderasse gleichen Namens, auch unter der wesentlich unfreundlicher klingenden Bezeichnung ›Bullenbeißer‹ bekannt, verblüffend. Man verpaßte ihn ihr im Spaß, und sie zeigte sich nicht gerade begeistert, akzeptierte ihn aber nichtsdestoweniger. Ihre bärbeißige Art und ihre mißmutige Miene taten ein übriges, um die physischeÄhnlichkeit zu untermalen.
    Der Junge war Waise gewesen. Wahrscheinlich, ohne es zu wollen, wie die meisten seinesgleichen. Aber wer konnte das schon sagen? Wäre sie nicht damals an den Sklavenpferchen vorbeigegangen und hätte zufällig in eine bestimmte Richtung geblickt, wäre es ihr nie aufgefallen. Aus Gründen, die sie nie ganz begriff, hatte sie das Kind gekauft, es aufgezogen und es, sobald es dafür alt genug war, dazu angehalten, ein Handwerk zu erlernen. Glücklicherweise hatten sich seine theatralischen Neigungen im Verein mit seinen seltenen Talenten schon in sehr früher Jugend gezeigt. So löste sich das Problem von selbst, welches Gewerbe sich wohl am besten eignete. Er erwies sich als aufmerksamer, beinahe würdig wirkender Beobachter und war so sein eigener bester Lehrling. Schön und gut, weil die älteren Berufskollegen in seiner Gegenwart immer viel nervöser wurden, als sie zuzugeben bereit waren. Und um es nicht zugeben zu müssen, erklärten sie ihn für unbelehrbar und überließen ihn sich selbst.
    Sie hatte ihn auch, so früh das praktisch durchführbar war, gelehrt, daß in Drallar Unabhängigkeit viel mehr war als ein bloßer abstrakter Begriff. Sie war ein Besitztum, selbst wenn man es nicht in die Tasche stecken konnte, und als solches
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