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Alter Adel rostet nicht

Alter Adel rostet nicht

Titel: Alter Adel rostet nicht
Autoren: P. G. Wodehouse
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nicht erwartet, beim Anblick des Kännchens in Verzückung zu geraten. Aber als der bärtige Greis dann im Dunkel verschwand und kurz darauf mit dem fraglichen Objekt zurückkam, wußte ich nicht, ob ich weinen oder lachen sollte. Bei dem Gedanken, daß mein Onkel bereit war, für so etwas mit harter Münze zu zahlen, sträubte sich mein Gefieder. Dieses Sahnekännchen hatte die Form einer Kuh. Aber wenn ich »Kuh« sage, dann dürfen Sie sich nicht so eine von der gemütlichen, liebenswerten Sorte vorstellen, wie sie auf Weiden herumstehen und sich den Bauch mit Gras vollschlagen. Nein, diese Kuh hatte einen bösartigen, hinterhältigen Blick, in dem etwas geradezu Teuflisches lag, und sie machte den Eindruck, als sei sie zu jeder Gemeinheit fähig. Sie war etwa zehn Zentimeter hoch und fünfzehn lang. Oben konnte man sie aufklappen. Ihr Schwanz war nach vorn gebogen und berührte den Rücken, so daß er einen Griff für den Freund frischer Sahne bildete. Bei diesem Anblick fühlte ich mich in eine Welt monströser Ungeheuer versetzt.
    Infolgedessen fiel es mir nicht schwer zu tun, was Tante Dahlia mir aufgetragen hatte. Ich rümpfte die Nase und machte gleichzeitig »Pffft!« Außerdem verzog ich ironisch die Mundwinkel. Alles in allem bot ich den Anblick eines Mannes, der für dieses Sahnekännchen keinerlei Sympathie hegte, und ich merkte, wie der schimmelige Alte zusammenzuckte, als hätte man ihn an einer empfindlichen Stelle gepiekst.
    »Oh, oh, oh!« sagte ich. »Ts, ts, ts! Nein, nein, nein. Also nein! Das gefällt mir aber gar nicht«, sagte ich und rümpfte und verzog, was das Zeug hielt. »Ausgesprochen minderwertig.«
    »Minderwertig?«
    »Ja, minderwertig. Holländisches Neubarock.«
    »Holländisches Neubarock?« Ob er wirklich Schaum vor dem Mund hatte, kann ich nicht genau sagen. Jedenfalls war er zutiefst gekränkt. »Wie kommen Sie denn auf holländisches Neubarock? Das ist eine echt englische Arbeit aus dem achtzehnten Jahrhundert. Sehen Sie sich doch den Stempel an!«
    »Ich kann keinen Stempel entdecken.«
    »Sind Sie blind? Hier, gehen Sie damit mal auf die Straße. Draußen ist es heller.«
    »Na schön«, sagte ich und ging zur Tür, wobei ich anfangs lässig schlenderte wie ein passionierter Sammler, der enttäuscht ist, seine Zeit unnütz vergeudet zu haben.
    Ich sagte »anfangs«, denn nachdem ich ein paar Schritte gegangen war, stolperte ich über die Katze, und man kann ja nicht über eine Katze stolpern und zugleich lässig weiterschlendern.
    Ich machte also ein paar schnelle Schritte, um nicht zu Boden zu gehen, und schoß dabei zur Tür hinaus wie ein steckbrieflich Gesuchter, der nach einem Raubüberfall zu seinem Auto flüchtet. Das Sahnekännchen flog mir aus der Hand, und zum Glück prallte ich draußen mit einem Passanten zusammen, sonst wäre ich im Rinnstein gelandet.
    Genaugenommen konnte von Glück gar keine Rede sein, denn wie sich bei näherem Hinsehen herausstellte, handelte es sich bei dem Passanten um Sir Watkyn Bassett. Er stand da und starrte mich voll Abscheu und Empörung durch seinen Kneifer an. Sie können sich ja denken: erst Handtaschenraub, dann Schirmdiebstahl und nun das! Er machte ein Gesicht wie einer, dem es jetzt reichte.
    »Rufen Sie die Polizei, Roderick!« schrie er und fuchtelte aufgeregt herum.
    Der Diktator tat wie geheißen.
    »Polizei!« brüllte er.
    »Polizei!« zeterte der alte Bassett in Tenorlage.
    »Polizei!« donnerte der Diktator im Baß.
    Und gleich darauf tauchte eine imposante Gestalt aus dem Nebel auf und fragte: »Was ist hier los?«
    Ich hätte zwar alles erklären können, wenn ich mir die Zeit genommen hätte zu bleiben, aber ich wollte nicht bleiben. Statt dessen tauchte ich seitlich weg, legte den vierten Gang ein und verschwand wie ein geölter Blitz. Irgend jemand rief: »Halt, stehenbleiben!«, aber das tat ich natürlich nicht. Weshalb hätte ich auch stehenbleiben sollen? Der Gedanke war einfach absurd! Ich scheste durch Seitenstraßen und nahm ein paar Abkürzungen, bis ich in der Nähe des Sloane Square anlangte. Dort kletterte ich in ein Taxi und kehrte zurück in die Zivilisation.
    Eigentlich hatte ich zum Drones Club fahren und einen Happen zu Mittag essen wollen, aber ich merkte schon nach einer kurzen Strecke, daß ich dem nicht gewachsen sein würde. Niemand weiß den Drones Club mehr zu schätzen als ich – diese geistreichen Plaudereien, diese Kameradschaft, dieses Gefühl, von den witzigsten und nettesten Leuten
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