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Cyrion

Cyrion

Titel: Cyrion
Autoren: Tanith Lee
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Vorwort 
– Honiggarten  –
     
    Der dickliche junge Mann mit dem leuchtend rötlichgelben Haar verursachte einen gehörigen Aufruhr, als er das Gasthaus betrat. Und ganz ohne Absicht.
    Geblendet von dem hellen Sonnenlicht in den Straßen, übersah er eine der drei Eingangsstufen. Als er sich mit einem unfreiwilligen Satz vor den Folgen seines Irrtums zu bewahren suchte, prallte er gegen den ahnungslosen Mann, der gerade mit zwei Flaschen Wein in der Hand vorüberging. Mit einem zweistimmigen Überraschungs- und Schmerzensschrei stolperten beide in die Arme der bronzenen Quirri, die den Eingang bewachte. Und betätigten natürlich den Gong, der an ihrer Hand hing. Ein lautes Dröhnen hallte durch das Gebäude, gefolgt von dem Klirren erst einer Weinflasche, dann der zweiten Weinflasche.
    Ein seidener Vorhang, der beiseite geschoben wurde, gab den Blick auf den Hauptraum der Schänke und auf zwei kampfbereite Gäste männlichen Geschlechts frei. Der eine war ein untersetzter Bursche mit schwarzen Augenbrauen, der andere ein blonder Westländer, dessen Rüstung einen Soldaten vermuten ließ, wozu auch der Dolch paßte, den er rein gewohnheitsmäßig schon gezogen hatte. Aus einem Gang kam auch der Wirt herbeigestürzt. Zu ihren Füßen zappelten die beiden Gestalten und schlugen matt um sich.
    »Bringen sie sich gegenseitig um?«
    »Der Halunke hat meinen armen Sklaven angegriffen!«
    Der dunkelhaarige Mann mit dem Abzeichen eines Baumeisters griff ein und zerrte den rothaarigen jungen Mann nach einer Seite, während der halbbetäubte Sklave nach der anderen Seite rollte. Der Wirt beugte sich über ihn und flötete: »Sag doch was, Esur. Stirbst du? Wo sich der Preis für Sklaven eben erst verdoppelt hat.«
    Der Soldat hatte seinen Dolch wieder weggesteckt. Mit einem belustigten Ausdruck auf seinem hübschen, bärtigen Gesicht meinte er: »Ein Versehen, glaube ich.« Er drehte sich um und kehrte in den Gastraum zurück. Mit schamroten Wangen begann der dickliche Jüngling sein Mißgeschick zu erklären und zog Geld heraus, um für den vergossenen Wein und den umgestoßenen Sklaven zu bezahlen. Der Baumeister sah zu und spielte mit der Goldmünze in seinem Ohr.
    Nachdem er sich von der Unversehrtheit des Sklaven überzeugt hatte, nahm der Wirt jetzt die bronzene Quirri in Augenschein. Diese Nachbildung einer heidnischen Statue der Bienengöttin - von den Remusanem eingeführt, als sie vor Jahrhunderten die Stadt eroberten - war das Wahrzeichen seines Gasthauses, das unter dem Namen>Der Honiggartencbekannt war. Der Wirt tastete die Statue mißtrauisch ab, war’s zufrieden, versetzte dem Sklaven einen Tritt, nahm das angebotene Geld und beschloß die ganze Sache zu vergeben und zu vergessen.
    »Ihr seid willkommen, Herr. Der Honiggarten, die beste Schänke in ganz Eferuzala, steht zu Eurer Verfügung. Womit können wir Euch dienen?«
    Rotschopf wischte sich den Schweiß von der Stirn und bestellte frischen Wein.
    »Und mariniertes, gebratenes Zicklein, mit Honig glasiert - unsere Spezialität...«:
    »Später«, wehrte der dickliche junge Mann ab. »Inzwischen.«
    »Ja?«
    »Ich suche einen Mann. Einen bestimmten Mann. Mir wurde gesagt, ich könnte ihn hier antreffen.«
    »Sein Name, werter Herr?«
    »Cyrion.«
    Der Wirt legte sein Gesicht in Falten.
    »Den Namen habe ich schon gehört. Ein Schwertkämpfer, nicht wahr? Wir legen keinen Wert auf Raufbolde.«
    »Ein Schwertkämpfer, aber reich«, bemerkte der Baumeister leise.
    »Ihr kennt ihn?« forschte Rotschopf.
    »Ich habe von ihm gehört.«
    »Er ist in Heruzala bekannt?«
    »Vielleicht. Außerdem noch an einigen anderen Orten, nehme ich an.«
    »Man sagt«, meldete sich eine weibliche Stimme zu Wort, ein rauchiger Alt, »daß er aussieht wie ein Engel.«
    Der Baumeister, der Wirt und Rotschopf starrten hinter einer hochgewachsenen, anmutigen Frau her, die nach dieser flüchtig hingeworfenen Bemerkungen an ihnen vorbei und die Treppe zur Straße hinaufging. Ihr mitternachtsdunkles Haar war reich mit Perlen durchflochten, und der Duft ihres schweren Parfüms, der in der Luft hängenblieb, fesselte die Männer noch geraume Zeit. (Anders als der letzte Ankömmling verfehlte sie keine der Stufen.) Eilfertig folgte ihr eine Dienerin.
    »Wie Ihr seht«, bemerkte der Wirt, »verkehrt bei uns nur die allerbeste Kundschaft. Aber wenn er - wie Ihr behauptet - reich und wohlerzogen ist, dieser Schirrien, dann könnte er schon hier eingekehrt sein...«:
    »Cyrion«,
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