Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alter Adel rostet nicht

Alter Adel rostet nicht

Titel: Alter Adel rostet nicht
Autoren: P. G. Wodehouse
Vom Netzwerk:
der Überzeugung, und ich will Ihnen auch erklären, warum. Ein paar Monate zuvor – wir feierten gerade den Sieg unserer alten Rudermannschaft – war ich der Staatsgewalt in die Finger geraten, als ich versuchte, einem Bobby den Helm zu klauen, und nach einer unruhigen Nacht auf einer Zellenpritsche war ich am folgenden Morgen dem Polizeirichter in der Bosher Street vorgeführt worden, der mir eine Geldstrafe von fünf Pfund aufbrummte. Und der Kadi, der dieses unbarmherzige Urteil fällte – nachdem mir, wie ich hinzufügen muß, schon der Anklagevertreter allerhand Schmähungen an den Kopf geworfen hatte –, war kein anderer als der alte Papa Bassett, der Vater von Gussies Zukünftiger!
    Ich war einer seiner letzten Kunden gewesen, wie sich später herausstellte, denn ein paar Wochen danach erbte er von einem entfernten Verwandten ein hübsches Sümmchen und setzte sich auf dem Land zur Ruhe. Zumindest ist das die offizielle Version. Ich vermute ja eher, daß er jahrelang die Bußgelder auf die Seite geschafft und sich damit eine goldene Nase verdient hat. Hier fünf Pfund und da fünf Pfund – da läppert sich im Laufe der Zeit was zusammen.
    »Erinnern Sie sich noch an diesen Würgeengel der Justiz, Jeeves? Ein schlimmer Finger, was?«
    »Möglicherweise ist Sir Watkyn im Privatleben von größerer Milde, Sir.«
    »Kann ich mir nicht vorstellen. Der ist durch und durch ein Finsterling. Aber lassen wir diesen Bassett. Ist Post gekommen?«
    »Nein, Sir.«
    »Irgendwelche Anrufe?«
    »Nur einer, Sir. Von Mrs. Travers.«
    »Tante Dahlia? Dann ist sie also wieder in London?«
    »Jawohl, Sir. Sie bittet Sie, so bald wie möglich telefonische Verbindung mit ihr aufzunehmen.«
    »Ich weiß etwas Besseres«, sagte ich wohlgelaunt. »Ich werde sie persönlich aufsuchen.«
    Und schon eine halbe Stunde später erklomm ich die Treppe zu ihrer Wohnung, wo mir Seppings, der Butler aufmachte. Ich ahnte ja beim Eintreten noch nicht, daß ich im Handumdrehen in eine Affäre verwickelt sein würde, die mich Nerven kosten sollte wie noch nie. Ich meine damit die unseligen Vorgänge, bei denen Gussie Fink-Nottle, Madeline Bassett, Papa Bassett, Stiffy Byng und Hochwürden H. P. (»Stinker«) Pinker ebenso eine Rolle spielten wie ein silbernes Sahnekännchen aus dem achtzehnten Jahrhundert und ein kleines, in braunes Leder gebundenes Notizbuch.
     
    Mir schwante also nicht das geringste von dem bevorstehenden Unheil, als ich so fröhlich hereinstürmte, und meine Vorfreude auf das Wiedersehen mit Tante Dahlia war ungetrübt. Wie Sie vielleicht wissen, schätze und verehre ich diese Tante sehr, ganz im Gegensatz zu Tante Agatha, die Glasscherben verspeist und auf der nackten Haut Stacheldraht trägt. Abgesehen von dem geistigen Vergnügen, ein wenig mit ihr zu plaudern, war da nämlich auch die rosige Hoffnung, von ihr zum Essen eingeladen zu werden. Und dank den überragenden Künsten Anatoles, ihres französischen Kochs, ist das Schlecken an ihren Fleischtöpfen für den Gourmet immer besonders attraktiv.
    Als ich den Vorplatz durchquerte, sah ich durch die offene Tür des Vitrinenzimmers Onkel Tom, der mit seiner Sammlung von altem Tafelsilber herumspielte. Einen Moment überlegte ich, ob ich nicht mal eben hineingehen und mich nach seinen Verdauungsbeschwerden erkundigen sollte, aber dann ließ ich es doch lieber bleiben. Wenn dieser Onkel nämlich erst mal einen Neffen am Wickel hat, hält er ihm womöglich stundenlange Vorträge über Feinsilbergehalt und Prägesiegel, ganz zu schweigen von Bördelungen, Treibarbeiten und bossierter Ornamentik, und deshalb schien es mir besser, die Klappe zu halten. Wortlos huschte ich also weiter zur Bibliothek, wo sich Tante Dahlia dem Vernehmen nach aufhielt.
    Ich fand die alte Anverwandte bis über die Halskrause in Korrekturfahnen versunken. Wie man ja weiß, ist sie die liebenswürdige und allseits geschätzte Herausgeberin eines Wochenblattes für Damen der besseren Gesellschaft mit dem Titel ›Milady’s Boudoir‹, für das ich sogar mal einen Artikel unter der Überschrift ›Was der elegante Herr heute trägt‹ beigesteuert habe.
    Bei meinem Eintreten tauchte sie aus der Papierflut auf und schmetterte mir zur Begrüßung ein markiges »Hojotoho!« entgegen, für das sie schon in jenen fernen Tagen berühmt war, als sie noch bei Treibjagden eine führende Rolle spielte und Reineke Fuchs das Leben schwermachte.
    »Na, du Pickelgesicht«, sagte sie. »Was machst du denn
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher