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Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition)

Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition)

Titel: Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition)
Autoren: Heike Schroll
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Sonnabend
     
Altmark, Juli 1988
     
 
    ~ 1 ~
     
Blankes Entsetzen ließ seine Stimme fast versagen. »Komm mit!«
    Judith konnte das leise Flehen nicht hören. Kräftig fuhr sie ein letztes Mal mit dem groben Sandpapier über die Holzlatte. Sie bereitete die alte Bank vor ihrer Haustür für einen neuen Anstrich vor und war überaus zufrieden mit dem Ergebnis ihrer Schleifarbeiten. Die Lehne und die Seitenteile waren schon sauber und schön glatt; das alte Holz würde jetzt die Lasur gleichmäßig aufnehmen.
    »Komm mit!«, bettelte die piepsige Stimme erneut und dieses Mal vernahm Judith die Bitte. Sie drehte sich um und sah einen mageren Bengel von vielleicht acht, neun Jahren an ihrer Zauntür stehen. Sie kannte ihn vom Sehen.
    Ihr Besucher vergewisserte sich: »Du bist doch auch von der Polizei, oder?«
    »Das stimmt. Wohin soll ich denn mitkommen?«
    »Da rüber.« Der Junge blickte verstört, als graute ihm davor, über seine Schulter in Richtung der alten Dorfstraße.
    Zwei Häuser weiter flog die Haustür auf. Walter Dreyer, der Ortspolizist in Waldau, trat in die Vormittagssonne und rief: »Hat eben jemand bei mir geklingelt?«
    Der Junge nickte und deutete dabei auf Judith Brunner: »Ich habe der Frau aber schon alles gesagt.«
    Walter Dreyer trat näher, grüßte augenzwinkernd seine überrascht aussehende Nachbarin und sagte dann zu dem Kind: »Hallo Tommy. Was wolltest du denn von mir?«
    Betrübt sah der Junge erst die Frau und dann den Mann an. Seine Augen füllten sich mit Tränen und er flüsterte: »Der Hund ist tot.« Sein Weinen hatte lautlos begonnen, wurde jetzt zum Wimmern, und nun greinte Tommy laut: »Aber nicht richtig!« Er rettete sich in Walter Dreyers Arme und schluchzte erbärmlich.
    Nicht richtig tot? Was untote Wesen anbetraf, war Dreyer mit seinen fünfundfünfzig Lenzen Lebenserfahrung eher skeptisch. Also musste etwas anderes dem Kind eine Heidenangst eingejagt haben!
    Judith konnte sich keinen Reim auf das Ganze machen, doch auch sie spürte die Furcht des Jungen und war besorgt. Sie legte den Schleifblock beiseite und sah aufmerksam die alte Dorfstraße hinunter, konnte aber nichts entdecken. Zumindest lag kein überfahrenes Tier auf der Fahrbahn.
    Walter Dreyer wusste, dass Tommys Familie keinen Hund besaß. Was war nur los? Er löste sich behutsam aus der Umarmung, nahm Tommys Hände in seine und bat: »Zeig uns den Hund.«
    Zögerlich führte der Junge sie über den Dorfplatz zu einem der Häuser gegenüber dem Kirchhof. Das alte Fachwerkhaus stand ein ganzes Stück von der mit Feldsteinen gepflasterten Straße zurückgesetzt. Zwei gewaltige Buchen boten nicht nur einer Bank am Straßenrand Schatten, sondern verdunkelten auch ein paar Nebengebäude. Erst dann öffnete sich ein verwilderter Vorgarten, in dem sogar ein kleines Rasenstück Platz fand.
    Am Gartenzaun blieb Tommy stocksteif stehen und murmelte: »Vor der Tür.« Er klammerte sich an Walter Dreyers Arm fest und ging keinen Schritt weiter.
    »Vielleicht ist es besser, Sie und Tommy warten hier und ich gehe erst einmal allein nachsehen«, schlug Judith Brunner feinfühlig vor.
    Tommy sah sie dankbar an, erleichtert, dass er sich dem Grauen nicht weiter nähern musste. Doch dann schüttelte er abwehrend den Kopf, weil er wusste, was die Polizistin gleich sehen würde.
    Walter Dreyer nickte ihm aufmunternd zu. » Schon gut.« Aber auch er war gespannt.
    Im Haus wohnte eine ältere Dame, die Witwe eines Schuldirektors, der bereits vor vielen Jahren, in seiner Lebensmitte, bei einem Unfall ums Leben gekommen war. Waltraud Zabel lebte seitdem allein in dem viel zu großen Haus, das der Gemeinde früher als Pfarrhaus diente. Einen eigenen Pfarrer nur für Waldau gab es lange schon nicht mehr; die entsprechenden Aufgaben erledigten die Glaubensbrüder aus den Nachbardörfern abwechselnd mit.
    Judith Brunner ging, sich aufmerksam umschauend, die zwei Dutzend Schritte vom Gartentor zu dem im Schatten einer noch jungen Kastanie liegenden Hauseingang. Dabei überlegte sie, ob der von Tommy gefundene Hund vielleicht krank gewesen war. Räudige Hunde konnten schlimm aussehen. Starb er an etwas Unheilbarem? Oder war einfach seine Zeit gekommen? Vielleicht war er auch schwer verletzt und hatte sich bis dorthin geschleppt?
    Doch als Judith Brunner das Tier dann sah, wusste sie, was Tommy dermaßen in Angst und Schrecken versetzt hatte. Auch sie war entsetzt, denn diesen Hund hatte man geköpft.
    Jemand hatte den Kadaver auf dem
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