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Die blonde Witwe

Die blonde Witwe

Titel: Die blonde Witwe
Autoren: Alexander Borell
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Schuß drin. Es konnte Notwehr gewesen sein...
    »Sie begreifen natürlich nichts«, hörte ich ihn sagen. Man sollte ihm mitten in dieses höhnische, eiskalte Gesicht knallen.
    »Menschen wie Sie«, sagte er, »ich glaube, ihr nennt euch heute Intellektuelle, seid in Wirklichkeit nur Schwächlinge. Ihr findet Worte und Worte, aber zu einer Tat fehlt euch der Mumm. Deshalb sperrt ihr eure Mörder ein, statt sie umzubringen, deshalb macht ihr euch die Hosen voll, wenn’s ans Sterben geht, und deshalb haßt ihr uns, weil euch eure Inferiorität bewußt ist und ihr in Wirklichkeit von Neid zerfressen seid. In euren Herzen aber, fein säuberlich hinter Schwulst und Geschwafel verborgen, bewundert ihr jeden Mörder, der den Mut hatte, sich seine Alte vom Hals zu schaffen, bewundert ihr jeden Attentäter, weil er mehr ausrichtet als ihr mit sämtlichen Weltkonferenzen, und...«
    Ich hörte ihn nicht mehr. Ich stand auf, zog die Pistole aus der Tasche und zielte haargenau zwischen seine Augen auf die Nasenwurzel.

11

    Er wurde nicht blaß.
    In seinen hellbraunen Augen stand keine Angst.
    Er lächelte und sagte: »Na endlich.«
    Sein höhnisches Gesicht verschwamm vor meinen Augen. Mein Puls schlug in meinem Hals, mein Mund war trocken und wie mit Staub gefüllt; ich konnte nicht einmal schlucken.
    Und ich konnte den Finger nicht krumm machen.
    Nie, niemals werden wir mit solchen Menschen, solchen Unmenschen fertig werden, nie ihnen gewachsen sein.
    Fast hätte ich mich hinreißen lassen, ihm den Gefallen zu tun, den er sich von mir erhofft hatte.
    Ich riß mich zusammen. Die Pistole sank langsam herab. Ich sagte heiser: »Das könnte Ihnen so passen.«
    Ich steckte die Pistole wieder ein. Ich war beschämt wie ein Komödiant, der ausgepfiffen und mit faulem Obst beworfen wird. Ich hätte mich nicht in etwas einlassen sollen, was Sache der Polizei und der Justiz ist.
    »Ich weiß noch nicht alles«, sagte ich. »Erzählen Sie weiter. Hat Ihre zweite Frau mitgemacht? Haben Sie Holzinger den Befehl gegeben, sie zu töten?«
    »Wie Sie wollen«, sagte er, als wären die letzten drei Minuten niemals gewesen. »Sie wußte nichts von dem Mord. Ich fuhr in jener Nacht nach Hause und sagte ihr, ein Unbekannter habe sich im Zug erschossen, ich hätte ihm meine Papiere in die Tasche gesteckt, und jetzt brauchte sie nur noch vor der Polizei behaupten, daß ich der Tote sei, dann wären wir alle Sorgen und Schulden auf einen Schlag los.«
    Er nahm das Bild, das er vorhin umgedreht hatte, zur Hand, öffnete den Rahmen, holte das Foto heraus, und während er weitersprach, zerriß er es in kleine Fetzen.
    »Sie war natürlich entsetzt, wie Frauen es immer sind, wenn man sie vor eine Entscheidung stellt, aber ich ließ ihr keine Zeit zum Nachdenken, außerdem war sie es gewöhnt, zu tun, was ich wollte.« Er warf die Schnitzel einzeln in den Papierkorb; wie Schneeflocken flatterten sie hinein. »Vermutlich hat sie es dann hinterher doch mit der Angst zu tun bekommen, vor allem, als Sie im >Seeadler< auftauchten. Leider konnte ich mich dort nicht mehr blicken lassen, sonst hätte ich schon die Zügel nicht aus der Hand verloren. Auch Holzinger, dieser vertrottelte Prolet, fing an, nervös zu werden. So ist es dann passiert.«
    Ich versuchte, zynisch zu sein: »Da hat er Ihnen doch nur eine Arbeit abgenommen, die Sie über kurz oder lang selber hätten tun müssen, nicht wahr?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Keineswegs. Ich wollte mit ihr hier in Frieden leben. Sie hätte nie die Wahrheit von mir erfahren.« Er zuckte mit den Schultern. »Es hat nicht sollen sein. Aber glauben Sie nun ja nicht, daß ich Reue empfinde. Keine Spur. In der Schule — unsere Schulen sind übrigens ebenfalls von A bis Z verlogen, wie ich es an meiner Tochter immer wieder feststellen kann — habe ich einmal gelernt, das Leben sei des Menschen höchstes Gut. Ein glatter Unsinn. Nichts auf der Welt ist so billig wie ein Menschenleben. Es wird für Öl geopfert, in Massen versteht sich, für Traktoren, Bananen oder für Kunstdünger. Immer in Massen. Wie viele Millionen sind denn im Krieg verreckt? Und wo sind heute die angeblichen Lücken? Es gibt heute mehr von der Sorte Mensch, als je zuvor. Was spielt da ein Mord schon eine Rolle? Wir sollten uns nicht so wichtig nehmen.«
    »Es steht Ihnen frei«, sagte ich, verzweifelt nach Gegenargumenten gegen diese Teufelslogik suchend, »es steht Ihnen frei, Ihr Leben wichtig zu nehmen oder nicht. Aber Sie haben kein
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