Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Lilienring

Titel: Der Lilienring
Autoren: Andrea Schacht
Vom Netzwerk:
gezogen. Nach Colonia, weißt du. So nannten die Römer nämlich Köln!«
    »Setz mal einen Hauch von geschichtlichem Wissen auch bei mir voraus, Süße!«
    »Na gut. Also – von Martius erhielt Annik bei einem Besuch der Stadt einen Siegelring mit der Inschrift ›Ad Perpetuam Memoriam‹. Das ist wichtig, denn Anita hat diesen Ring von ihrem Vater bekommen. Na jedenfalls, dieser Martius tritt in die Legion ein, und Annik arbeitet in der Villa des Patriziers Titus Valerius Corvus als Töpferin. Dessen Frau, weißt du, die hieß Ulpia Rosina, und die beiden freundeten sich miteinander an. Es gibt dann noch die Tochter, Valeria Gratia. Die ist wie ich. Übrigens, es spielt alles in der Zeit, in der Traian, der spätere Kaiser, Statthalter von Germanien ist und sich in Colonia aufhält. In der Gegend gibt es noch immer Aufstände gegen die Römer, und es sieht so aus, als ob in Valerius’ Haushalt eine Informationsquelle existiert, die die Gallier mit Nachrichten über die römischen Pläne versorgt.«
    »Also nicht nur Aufruhr in jenem kleinen Dorf von Asterix und Obelix!«
    »Quatsch, nee. Unterbrich mich nicht!«
    »Entschuldige, Cilly!«
    »Also – Annik gerät wegen ihrer Herkunft und vor allem wegen ihrer Freundschaft mit einem Barden in Verdacht, dass sie es ist, die die Informationen weitergibt. Aber sie kann Valerius von ihrer Unschuld überzeugen, und er gibt ihr stattdessen den Auftrag, herauszufinden, wer der Verräter ist.« Cillys Stimme wurde ganz leise, aber ich hörte dennoch, was sie erklärte: »Dieser Valerius ist übrigens siebzehn Jahre älter als Annik, hat früher
in der Legion gedient und ist zweimal übel verwundet worden. Er trägt eine Narbe im Gesicht. So eine, wie Anita sie jetzt hat.«
    »Oh!«, sagte auch Marc ganz leise.
    »Also – Valerius verliebt sich in Annik, traut sich aber nicht, ihr das zu zeigen, weil er doch ein Krüppel ist, wie er meint. Aber Annik macht das nichts aus.«
    »Ich dachte, sie hat diesen Martius?«
    »Na ja – der hat sich inzwischen in Ulpia Rosina verliebt und ein heimliches Verhältnis angefangen. Annik weiß es aber, und sie macht sich nichts daraus, weil sie ihn eigentlich immer mehr als Kameraden betrachtet hat. Jedenfalls ergibt sich für Martius die Gelegenheit, mit einem Senator nach Rom zu ziehen, und er verabschiedet sich von Annik und Rosina. An diesem Abend opfert Annik den Siegelring, den sie von ihm erhalten hat, an einem Matronenheiligtum in den Wäldern, weil sie nämlich beschlossen hat, mit Valerius zu leben, der zum Provinzstatthalter von Nordgallien ernannt worden ist. Als sie nach Hause zum Gut zurückgeht, bemerkt sie, dass auch Rosina heimlich den Weg durch die düstere Gegend nimmt. Drei Tage später wird Martius in jenem dunklen Wald gefunden, erstochen von einem Stilett, das, wie nur Annik weiß, Rosina gehört. Der Präfekt Falco glaubt, der Barde und die Gallier seien schuld an seinem Tod, und Annik ist in einer fürchterlichen Zwickmühle, weil sie ihre Freundin nicht verraten will. Aber dann kommt der Befehl, das Dorf der Einheimischen niederzubrennen, und Annik wird bei dem Versuch, Falco daran zu hindern, von seinen Legionären umgebracht. Ein Pfeil hat sie getroffen, und sie nimmt mit ihren letzten Worten die Schuld an Martius’ Tod auf sich. Dann stirbt sie in Valerius’ Armen.«
    Cilly zog die Nase hoch und griff nach einem Taschentuch, als ich eintrat. Mit einem müden Lächeln vervollständigte
ich die Geschichte: »Tja, Marc, das ist der Hintergrund meiner Beziehung zu dem heutigen Valerius. Die Erzählung berührte Cilly schon damals, als wir sie uns erzählt haben, zutiefst. Zugegebenermaßen mich genauso. Als ich dann, wenige Tage nachdem wir sie beendet hatten, diesem Mann begegnet war, der so aussah, wie ich mir den Römer Titus Valerius Corvus vorgestellt hatte, da habe ich etwas die Kontrolle verloren.«
    »Der Mann, der zu allem Überfluss tatsächlich Valerius heißt. Ja, Herzchen, ich verstehe. Ein geradezu unheimlicher Zufall.«
    Ich stellte die Kanne auf den Tisch, goss Marc den Kaffee pur ein, den er in Form von schwarzem Schlicker zu trinken pflegte, füllte aber meine und Cillys Tasse zuvor zur Hälfte mit Milch auf. Die Konzentration des Getränkes war ansonsten nicht jugendfrei.
    »Zufall – Julian hätte es nicht als Zufall bezeichnet.«
    »Schicksal?«
    »Möglicherweise. Doch eher Bestimmung.«
    »Ich würde daraus ja eher schlussfolgern, deine Beziehung zu Valerius beruht auf einer Projektion.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher