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Der Lilienring

Titel: Der Lilienring
Autoren: Andrea Schacht
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Vorwort
    Es ist nicht nur die Glockengasse 4711, die lebendiges Zeugnis der französischen Vergangenheit Kölns gibt. Auch die beeindruckenden Kunstsammlungen, die in jener Zeit entstanden, sind in den Museen noch heute eine inspirierende Quelle für jeden Schriftsteller. Ob mittelalterliche Gemälde oder römische Skulpturen – diese Kunstwerke wurden damals – auf sicher nicht immer rechtmäßige Art – zusammengetragen. Das Interesse an der Historie, vor allem an der Antike, fand gerade in Köln und im Umland reiche Nahrung. Dass zufällig bei Bauarbeiten ein vollkommen erhaltenes römisches Grab gefunden wurde, war keine Besonderheit.
    Meine Heldin Marie-Anna darf also darin ihre Verknüpfung zu ihrer persönlichen Vergangenheit erkennen.
     
    Als die französischen Besatzungstruppen vor rund 200 Jahren in die Stadt am Rhein einzogen, befand Köln sich in einem traurigen Zustand des Verfalls. Nicht nur die Bauwerke, auch die Gesinnung der dort lebenden Menschen war marode. War sie im Mittelalter als führende Handelsstadt noch aufgeblüht, hatte sich zu einer weltoffenen, heiteren Metropole entwickelt, so hat ihr die Neuzeit mit der Entdeckung Amerikas und den daraus sich verlagernden Handelsplätzen den Garaus gemacht. Der geistigen Wandlung durch Luthers Reformation versperrten sich die Kölner und erstarrten in ihren alten Traditionen.

    Napoleon erst, der die neuen Ideen der französischen Revolution und seine eigenen genialen Verwaltungsvorschriften mitbrachte, gab Köln den notwendigen Tritt in die Seite, damit es wieder zu einer florierenden Stadt wurde. Die verkrusteten mittelalterlichen Zunftordnungen wurden aufgebrochen, Handel und Handwerk liberalisiert, das Rechtswesen reformiert, die Infrastruktur verbessert, die Häuser gezählt und durchnummeriert und die reichen kirchlichen Pfründe aufgelöst.
    Mit durchaus positiven Folgen.
    Aber nicht nur.
    Wie üblich bringt eine Besatzung gleichzeitig Ärger mit sich. Sabotage ist ein Begriff, der aus jener Zeit stammt.
    Doch wie konnten sie nur, die Franzosen – sie hatten sich des denkbar himmelschreiendsten Unrechts schuldig gemacht: Sie verboten den Kölner Karneval!
     
    Köln hat auch das überlebt, und die Spuren der Vergangenheit sind, wenn man ein Auge dafür entwickelt, an jeder Ecke erkennbar. Eine Stadt überlebt, weil die Menschen in ihr es können. So, wie es Marie-Anna gelingt, aus dem persönlichen Elend zu neuem Glück zu finden.

1. Kapitel
    Sphärentanz
    Sie starb, und es wurde dunkel um sie. Das Gesicht ihres Geliebten war das Letzte, was sie mit ihren schwindenden Sinnen wahrnehmen konnte. Dann begann ihre Wanderung durch die Unendlichkeit, ohne Angst, wissend, dass sie sie finden würde – die himmlischen Sphären, die die Welt umspannten. Nicht das Fegefeuer wartete auf sie, nicht die Qualen der Hölle, aber auch nicht die Tore des Paradieses. Sie bewegte sich durch die Dunkelheit auf die fernen Lichter zu. Nach und nach verblich alles, was sie auf Erden erlebt hatte.
    Sie wandelte lange, und es lösten sich Wehmut, Schmerzen und Trauer auf. Das tiefste Gefühl jedoch, das sie empfunden hatte, war bei ihr geblieben – ihre Liebe vergaß sie nie, und die Sehnsucht blieb immer bei ihr.
    Sie tanzte zur Sphärenmusik mit den Sternen, doch plötzlich war die Konstellation der Himmelslichter so verlockend, dass sie nicht widerstehen konnte.
    Und im Jahre 1783, kurz bevor die französische Nation in Flammen aufging, wurde in einem kleinen Schloss in der Bretagne, zur übergroßen Freude der Eltern, eine Tochter mit goldenen Haaren geboren. Sie nannten sie Marie-Anna.

2. Kapitel
    Der Staatsanwalt
    Er hatte unerwartet schnell die Stelle übernehmen müssen. Sein Vorgänger war in den vorzeitigen Ruhestand gegangen und hatte ihm einen Haufen halb oder vollkommen unerledigter Fälle hinterlassen. Einer brannte dem neuen Staatsanwalt aus den verschiedensten Gründen gewaltig unter den Nägeln. Doch dem Neuen war nicht umsonst bei den Kollegen der Spitzname »Meister Fix« vorausgeeilt. Dieser Name bezog sich nicht nur auf die mittelalterliche Bezeichnung für den Henker, sondern beschrieb auch seine Arbeitsmethode passend. Falko Roman war ein schneller und gründlicher Arbeiter. Wie gut er aber den Fall in den Griff bekam, der jetzt wieder von neuer Brisanz erschien, das hing nicht allein von seiner professionellen Methodik ab, sondern ebenfalls von einem sehr ungemütlichen Gefühl, das ihn dabei beschlich. Gefühle gehörten zu den
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