Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Lilienring

Titel: Der Lilienring
Autoren: Andrea Schacht
Vom Netzwerk:
Niemand macht Ihnen Vorwürfe, Frau Kaiser. Aber ich denke, man hat Ihnen bestimmt entsprechende Mittel verschrieben.«
    »Hat man, Frau Kommissarin. Ich habe sie aber nicht genommen. Mir langten die Schmerzmittel, die mich reichlich benommen gemacht haben.«
    »Besitzen Sie diese Medikamente noch?«
    »Die Schmerzmittel habe ich so gut wie aufgebraucht. Die anderen habe ich noch nicht einmal aus der Apotheke geholt.«
    »Haben Sie die Rezepte noch?«
    »Hat meine Krankenversicherung. Fragen Sie dort nach!«
    Langsam wurde meine Kooperationswilligkeit auf eine harte Probe gestellt. Ich hatte den Eindruck, man unterstellte mir auf irgendeine verrückte Art, ich hätte Julian selbst umgebracht.
    Als Nächstes kam es dann.

    »Hatte Ihr Vater bestimmte Angewohnheiten, Frau Kaiser?«
    »Er hatte viele Angewohnheiten. Zum Beispiel konnte er wunderbar Geschichten erzählen. Er las gerne archäologische Fachzeitschriften. In den letzten Jahren hatte er ein Faible für die Esoterik entwickelt. Nicht praktizierend, war aber interessiert an – nennen wir es weltanschaulichen Fragen.«
    »Nicht praktizierend?«
    »Wenn Sie jetzt wissen wollen, ob er mit bewusstseinserweiternden Drogen experimentiert hat, dann muss ich Sie enttäuschen. Übrigens hatten wir das Thema schon bei der letzten Vernehmung erschöpfend behandelt!«
    »Wir haben neue Erkenntnisse.«
    »Schön. Welche?«
    »Hatte Ihr Vater bestimmte Angewohnheiten, Frau Kaiser?«
    »Sie gehen mir ein klein wenig auf den Geist, wissen Sie das?«
    »Und Sie sollten sich besser erinnern.«
    »Ich könnte genauso gut ganz einfach schweigen.«
    Sie wusste, dass ich das Recht dazu hatte.
    »Freunde und Kollegen von Ihrem Vater erzählten, er hätte eine kleine Marotte gehabt.«
    Jetzt wusste ich, worauf sie anspielte, und mir wurde schlagartig etwas klar.
    »Die Bonbons, meinen Sie die?«
    Kommissarin Frederika nickte.
    »Er hatte immer welche dabei, in jeder Anzugtasche, in jeder Schublade, im Auto... Ja, ich weiß. Er behauptete immer, er brauche sie, um bei Stimme zu bleiben. Ein Sänger eben!«
    »Und Sie haben ihm oft solche Bonbons geschickt, nicht wahr?«

    »Sicher. Ich habe mir einen Spaß daraus gemacht, ihm entweder besonders exotische oder besonders kitschig verpackte zu schicken.«
    »Auch von Ihrem letzten Aufenthalt auf den Kanarischen Inseln aus?«
    »Ich denke schon.«
    »Kennen Sie diese Dose?«
    Sie zeigte mir eine Blechdose mit einem schreiend bunten Bild. Ein spanischer Gitarrenspieler schmachtete unter einem blumenbewachsenen Balkon eine Schöne im Mondlicht an. Ich erinnerte mich daran, Julian die Bonboniere im Juni geschickt zu haben, und nickte.
    »Haben Sie die Dose vorher geöffnet?«
    »Nein, Frau Kommissarin. Sie war original zugeklebt, als ich sie in das Päckchen legte. Doch bedauerlicherweise sind alle Menschen, die das bezeugen können, inzwischen tot.«
    »Wann haben Sie Ihre Schwester zum ersten Mal getroffen?«
    »Im August letzten Jahres. Ich habe im Juli erst von ihrer Existenz erfahren. Sie wissen das.«
    »Wann haben Sie das erste Mal mit ihr gesprochen?«
    »Uns erstmals getroffen und miteinander gesprochen haben wir zum selben Zeitpunkt.«
    »Sie haben nicht vorher mit ihr telefoniert?«
    »Nein.«
    »Sie hat nicht von sich aus Kontakt mit Ihnen aufgenommen?«
    »Nein. Wir haben keine heimlichen Briefchen miteinander gewechselt, wenn Sie darauf hinauswollen. Sie wusste von mir, ich wusste nicht von ihr.«
    »Wieso wusste sie von Ihnen?«
    »Mein Vater erzählte ihr von mir.«
    »Trotzdem hat sie nie versucht, mit Ihnen zusammenzukommen?«

    »Nein.«
    »Sie erbt ein Drittel des Vermögens Ihres Vaters. Hat Sie das betroffen gemacht?«
    »Nein.«
    »Es ist nicht wenig, was sie da erhält. Im Falle ihres Todes fiele dieses Drittel an Sie.«
    »Ja.«
    »Wo waren Sie am zehnten April?«
    Ich schwieg. Mehr Auskunft bekam Kommissarin Frederika jetzt nicht mehr von mir. Ich hatte keine Lust, mein Liebesleben vor ihr auszubreiten, denn das war es, was an diesem zehnten April meine Zeit in Anspruch genommen hatte. Und schon gar nicht wollte ich Valerius in die Sache mit hineinziehen. Im Übrigen nervten mich ihre unausgesprochenen Unterstellungen allmählich. Sollte sie doch anderweitig ermitteln.
    »Wie ist Ihr Verhältnis zu Ihrer Halbschwester?«
    »Ausgezeichnet.«
    »Was verbindet Sie mit Valentin Cornelius?«
    Gegen alle Verstimmung musste ich plötzlich laut auflachen. Auf meinem Weg durch das Polizeirevier war ich nämlich diesem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher