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Der Lilienring

Titel: Der Lilienring
Autoren: Andrea Schacht
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Vater starb.«
    »Wenn man die Gewohnheiten eines Menschen kennt, kann man ihn auch in Abwesenheit umbringen.«
    Erneut herrschte Schweigen in der Leitung.
    »Valerius, halte dich von ihr fern. Zumindest, bis wir Klarheit darüber haben, ob wir Anklage erheben müssen.«
    »Halte mich auf dem Laufenden, Falko.«
    »Natürlich.«

3. Kapitel
    Neue und alte Geschichten
    Ich war zunächst nur milde erstaunt, als mir die Aufforderung zur Vernehmung ins Haus flatterte. Vor kurzem erst hatte ich die Nachricht erhalten, das Verfahren um den Tod meines Vaters sei eingestellt worden. Aber da die Presse nun mal wieder ihren Spaß daran hatte, einen Prominenten und sein Privatleben durch den Dreck zu ziehen, war es wohl nicht ungewöhnlich, dass irgendwer sich wichtig genug nahm, diesen Fall noch mal juristisch aufleben zu lassen. Wenn die Öffentlichkeit genügend Druck ausübte, mussten die Behörden springen. Also nahm ich die Sache nicht sonderlich ernst und ging gelassen zur Polizei, um mit Kommissarin Klosters, die sich mit dem Vornamen Frederika auf ihrem Kärtchen auswies, zu plaudern.
    Es wurde scheußlich!
    Warum auch immer, sie hatten in meiner Vergangenheit gewühlt und herausgefunden, dass ich vor fünf Jahren einmal eine Zeit lang in einer Wohngemeinschaft gelebt hatte. Jan und Jennifer, Zwillinge, und ich hatten uns während des Studiums eine große Altbauwohnung geteilt. Es war sehr praktisch und viel gemütlicher für uns alle, als in einem Miniappartement alleine zu wohnen. Aber dann wurde Jennifer krank, unheilbar. Sie wollte allerdings so lange wie möglich die Normalität aufrechterhalten, und so sorgten wir für sie, so gut es ging. Dass Jan ihr Drogen verschaffte, um ihre Schmerzen – und sicher auch ihre Verzweiflung – zu mildern, erfuhr ich erst, als sie gestorben war.

    An den Fragen von Kommissarin Frederika merkte ich, welchen bestimmten Verdacht sie hegte. Als Nächstes kam sie nämlich auf Titus zu sprechen. Titus war ein leicht verrückter Däne, der zu dem Team gehörte, in dem ich in den Semesterferien und in den Monaten nach meinem Abschluss in Ferienclubs als Sportanimateurin arbeitete. Wir waren eine Gruppe von sieben jungen Leuten. Nicht alle waren regelmäßig dabei, aber meist traf es sich, dass wir wochenlang zusammenarbeiteten. Es waren Ulla, die einer »besten Freundin« ziemlich nahe kam, die scharfzüngige und witzige Roxane, die an niemandem ein gutes Haar ließ. Grace dagegen war ein labiles Geschöpf, das sich fallweise mit Medikamenten voll stopfte und ansonsten ein reges Liebesleben führte. Marek war ein sanfter Junge, der viel zu viel Mitleid mit allem und jedem und vor allem sich selbst empfand. Dickhäutiger verhielt sich der trottelige Hawkins, der nur bei Sportarten, bei denen es auf Zielgenauigkeit ankam, keine zwei linken Hände hatte. Und völlig egomanisch trat Titus auf, ein perfekter Techniker, der aber frei von jeglicher Kontaktfähigkeit schien. Allesamt hatten am achten Juni des vergangenen Jahres in der Maschine gesessen, die uns nach Rom bringen sollte. Nur ich hatte umgebucht, da ich die Nachricht vom Tode meines Vaters erhalten hatte. Deshalb musste ich mit namenlosem Entsetzen beobachten, wie das startende Flugzeug vor meinen Augen explodierte. Glühende Trümmerteile trafen auch mich, und als ich wieder zu Bewusstsein kam, lag ich, in zahllose Verbände gewickelt und an Tropf und Überwachungsapparaturen gefesselt, im Krankenhaus.
    Welcherart meine Beziehung zu Titus gewesen sei, wollte die Kommissarin wissen. Und wie ich mich mit Grace verstanden hatte.
    Ich gab ihr so detailliert wie möglich Auskunft. Dass
Titus gelegentlich einen Joint geraucht hatte, wusste ich. Dass er auch Aufputschmittel genommen hatte, ahnte ich. Vom Koks wusste ich nichts. Graces Tablettenschächtelchen waren legendär. Manchmal hatte ich versucht, mit ihr darüber zu reden, aber dann bekam sie wieder ihre Heulanfälle, und es war besser, wenn sie ihre Glücksbringer einnahm. Ich war schließlich nicht ihre Therapeutin.
    Die nächste Frage galt Uschi. Meine Mutter, die sich lange dagegen gewehrt hatte, von mir mit ihrem Namen angeredet zu werden, hatte ebenfalls so ihre Probleme. Nach dem Tod meines Vaters größere als vorher. Ja, auch sie nahm gelegentlich Antidepressiva und Tranquilizer. Und ich selbst?
    Ich lachte die gute Frederika an.
    »Haben Sie eine Ahnung, was die Ärzte Ihnen alles nach einem Flugzeugunglück verschreiben?«
    »Sie standen unter Schock, natürlich.
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