Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Lilienring

Titel: Der Lilienring
Autoren: Andrea Schacht
Vom Netzwerk:
Du hast eine zu Herzen gehende Liebesgeschichte gehört und identifizierst dich mit der Heldin. Dann begegnet dir ein Mann, der so ähnlich aussieht wie der strahlende Held, und – schwups – springst du mit ihm in die Federn. So funktioniert das doch bei euch Frauen.«
    »Wenn du meinst.«
    »Bist du verschnupft? Komm, du bist ansonsten eine durchaus nüchterne Frau, Anita. Solche romantischen Anwandlungen sind deiner nicht würdig.«
    »Rose ist ihrem Falko begegnet, Marc. Und es hat auch gefunkt!«, stellte Cilly trocken fest.
    »Was? Den gibt es auch?«
    »Den gibt es auch, Marc. Valerius’ Neffe. Staatsanwalt in Düsseldorf. Derzeit in Scheidungsschwierigkeiten.«
    »Und Cilly, wem bist du begegnet?«
    »Dir, Marc.«
    Meine kleine Schwester-Schwester sah den blonden, braun gebrannten Abenteurer Marc mit strahlenden Augen an. O ja, er hatte etwas von dem verwegenen gallischen Legionär!
    »Nix da, Mädels. Ich lebe derzeit zum ersten Mal und werde mich in keine Verwicklungen aus der Vergangenheit einlassen.«
    »Nun, da hatten wir noch Marcel le Breton...«
    »Der mit der Syph...«
    »Der im fünfzehnten Jahrhundert gelebt hat...«
    »Und die Stiftsschreiberin Anna angebaggert hat...«
    »Und die Jungfer Valeska umgebracht hat...«
    »Schluss jetzt!«
    Marc stellte die Kaffeetasse mit einem Klirren auf den Tisch. Ich sah ihm an, dass er sich vor Unbehagen wand. So, wie wir uns auch gewunden hatten, als uns klar wurde, wie sehr die Geschichten von unserem Vater unser derzeitiges Leben berührten. Immer wieder mussten Rose, Cilly und ich uns sagen, Julian habe nur eine überaus lebendige Phantasie und habe vielerlei Quellen genutzt, sie zu nähren, wie etwa die Fragmente eines alten Stundenbuchs, die Ausgrabungsstätte einer alten römischen Villa, den Siegelring mit dem Pferdchen, den er mir einst geschickt hatte, vielleicht sogar die eigene Familiengeschichte.
    »Hat er an Wiedergeburt geglaubt, der Julian Kaiser?«
    »Er hat daran geglaubt. Zumindest scheint es mir jetzt so.«
    »Und du, Anita?«
    »Ich weiß es nicht. Aber ich weiß genauso wenig, ob wir nur einmal leben, und ich weiß nicht, ob es eine Anderwelt, einen Hades, eine Hölle oder die himmlischen Sphären oder nur das grenzenlose Nichts gibt. Nur eines
weiß ich – optimistischer als Hölle und Fegefeuer ist die Vorstellung, in einer anderen Welt weiterzuleben, allemal.
    »Auch wenn das Leben die Hölle ist?«
    »Es hat auch seine guten Seiten, das Leben.«
    Marc lächelte plötzlich.
    »Ja, Anita-Schätzchen, hat es. Und was ist nun mit Valerius? Du hast ihn getroffen und – wie wir sattsam miterleben durften – nach wenigen genussreichen Stunden wieder aus den Augen verloren. Du hast ihn, dank meiner mildtätigen Hilfe, erneut aufgestöbert, einige weitere lustvolle Stunden mit ihm verbracht, und nun ist Ende-Gelände. Oder?«
    »Marc, von meiner Seite aus nicht. Du magst es Projektion oder Einbildung oder wer weiß was nennen, ich fühle mich dennoch mit ihm verbunden. Aber ich habe den Eindruck, es steht noch immer etwas zwischen uns.«
    »Du nimmst das alles viel zu ernst, Schätzchen. Nimm mich, ich bin leichtherzig, unzuverlässig, ganz dem Hier und Jetzt verpflichtet und ungemein sexy!«
    »Stimmt. Darum nehme ich dich ja nicht!«
    Bevor wir sehr zu Cillys Missfallen unser übliches Geplänkel weiterführen konnten, klingelte das Telefon, und mit Freude vernahm ich, dass Rose wieder im Lande war. Wir verabredeten uns für den nächsten Tag, um gewisse Neuigkeiten auszutauschen. Marc hingegen brach genauso unerwartet wieder auf, wie er erschienen war. Er pflegte seinen Ruf des Unberechenbaren sicher nicht ganz ohne Selbstzweck. Er ließ sich nicht gerne auf Termine oder Orte festnageln, sondern bestimmte das lieber selbst. Verantwortung war ein Begriff, der in seinem Wortschatz nicht zu finden war. Und dennoch war er erstaunlich oft zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Platz.
    Ich mochte ihn.

    Rose war drei Tage älter als ich, neunundzwanzig also, und die Unterschiede zwischen uns hatten wir unseren Müttern, nicht Julian zu verdanken. Ich war recht groß, hatte glatte, schwarze Haare und einen dunklen Teint, was Uschis libanesischer Großmutter zu verdanken war. Rose war eher klein, hatte stiefmütterchenbraune Augen, eine helle, manchmal rosige Haut und einen Flausch von blonden Löckchen, der sie gelegentlich wie einen wirrköpfigen Engel auf Abwegen erscheinen ließ. Sie wirkte auf den ersten Blick sanft, nachgiebig und vage
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher