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Der Strand von Falesa

Der Strand von Falesa

Titel: Der Strand von Falesa
Autoren: Robert Louis Stevenson
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Eine Südsee-Hochzeit
     
    Ich sah die Insel zuerst zwischen Nacht und Morgen. Der Mond stand im Westen, im Niedergehen begriffen, aber noch breit und hell. Im Osten zwischen unserm Schiff vor der Dämmerung, die ganz rosenrot war, funkelte der Morgenstern wie ein Diamant. Die Landbrise wehte in unsere Gesichter und roch kräftig nach wilden Linden und Vanille. Noch andere Dinge waren da zu bemerken, aber dies waren die einfachsten; und in der Kühle mußte ich niesen. Nun muß ich Ihnen wohl sagen, daß ich jahrelang auf einer der Niedrigen Inseln nahe am Äquator gelebt hatte, die meiste Zeit ganz einsam unter Eingeborenen. Hier stand mir nun eine frische Erfahrung bevor: Sogar die Sprache würde mir fremd sein; und der Anblick dieser Wälder und Berge erfrischte mir das Blut.
    Der Kapitän blies die Lampe im Kompaßhaus aus und sagte:
    »Da! Da, wo der feine Rauch hinter der Lücke im Riff aufsteigt, Herr Wiltshire – das ist Falesa, wo Ihre Station ist, das letzte Dorf nach Osten zu. Windwärts wohnt dann keiner mehr – ich weiß nicht, warum. Nehmen Sie mein Glas, und Sie können die Häuser unterscheiden.«
    Ich nahm das Fernglas, und die Küste sprang näher heran, und ich sah das Baumdickicht der Wälder und die Lücke in der Brandung, und die braunen Dächer und die schwarzen Türöffnungen von Häusern lugten unter den Bäumen hervor.
    »Sehen Sie das bißchen Weiß da vorn, da nach Osten zu?« fuhr der Kapitän fort. »Das ist Ihr Haus, aus Korallen erbaut, auf Pfosten hoch über dem Boden; eine Veranda so breit, daß drei Menschen nebeneinander gehen können; die beste Station im ganzen südlichen Pazifik. Als der alte Adams sie sah, kriegte er meine Hand zu fassen und schüttelte sie. ›Da hab' ich mal was Nettes erwischt‹, sagt er. – ›Das haben Sie‹, sage ich, ›und hohe Zeit war's!‹ Der arme Johnny! Hab' ihn nie wiedergesehen als bloß noch ein einziges Mal, und da sang er in einem anderen Ton – konnte nicht mit den Eingeborenen fertig werden oder mit den Weißen, oder was es sonst war; und als wir das nächste Mal vorbeikamen, da war er tot und begraben. Setzte ihm eine Tafel aufs Grab und schrieb darauf: ›John Adams, obiit 1868. Gehe hin und tue desgleichen‹ Tat mir leid um den Mann. Hatte niemals viel an Johnny auszusetzen.«
    »Woran starb er?« fragte ich.
    »Irgend so 'ne Krankheit«, sagte der Kapitän, »packte ihn, scheint's, ganz plötzlich. Scheint, er stand in der Nacht auf und füllte sich Schmerzstiller und Kennedys Wunderbalsam in den Leib. Nützte nichts: dem half kein Kennedy mehr. Dann hatte er versucht, eine Kiste mit Gin aufzumachen. Ging auch nicht: nicht stark genug. Dann mußte er hinausgelaufen sein auf die Veranda und über das Geländer gepurzelt sein. Als sie ihn am nächsten Morgen fanden, war er reinweg verrückt – quasselte die ganze Zeit von irgendeinem, der ihm seine Kopra wässerte. Armer John!«
    »Glaubte man, die Insel sei dran schuld?« fragte ich.
    »Hm – man dachte, es sei die Insel oder seine Sorgen oder sonst was. Nach allem, was ich sonst gehört hatte, war es immer ein gesunder Aufenthalt. Ihrem letzten Mann hier, Vigours, hatte niemals ein Haar weh getan. Der ging weg wegen dem Strand – sagte, er hätte Angst vorm Schwarzen Jack und vor Case und Pfeifer-Jimmie, der dazumal noch lebte, aber später versoff, als er besoffen war. Na, der alte Kapitän Randall, der ist ja seit achtzehnhundertvierzig-fünfundvierzig hier gewesen. Habe nie bemerkt, daß Billy viel fehlte, hat sich auch nicht viel geändert. Sieht aus, wie wenn er so alt werden könnte wie Methusalem. Nee – ich denke, gesund ist die Insel.«
    »Da kommt ein Boot 'ran«, sagte ich, »scheint ein nettes Boot zu sein; so 'n Segelboot von sechzehn Fuß; auf der Steuerbank zwei Weiße.«
    »Das ist das Boot, womit Pfeifer-Jimmie ersoff!« rief der Kapitän. »Geben Sie mal das Glas her! Jawohl, das ist Case und der Nigger. Sie haben einen galgenmäßig schlechten Ruf, aber Sie wissen ja, was am Strand geklatscht wird. Ich glaube, Pfeifer-Jimmie war der schlimmste von der Bande; na, und der ist nun auch im Himmel. Was wollen Sie wetten – die sind auf Gin aus? Ich wette fünf gegen zwei, sie nehmen sechs Kisten.«
    Als die beiden Händler an Bord kamen, gefielen sie mir sofort alle beide, oder besser gesagt: gut aussehend fand ich sie beide und hören tat ich den einen gern. Ich war ganz krank vor Sehnsucht nach weißen Nachbarn, nachdem ich meine vier Jahre unter dem Äquator
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