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Betty kann alles

Titel: Betty kann alles
Autoren: Betty McDonald
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Verspätung, traf der Zug ein, und Mr. Stokowsky stieg in Begleitung des Dirigenten des Florida-Symphonieorchesters aus. Die allgemeine Vorstellung erfolgte, und dann traten wir die Fahrt an. Mr. Morrison, ein außerordentlich gewandter und geistreicher Mann, machte des öfteren Versuche, eine Unterhaltung in Gang zu bringen. Die Antworten erteilte stets der Florida-Orchester-Dirigent.
    Den ganzen Weg nach Seattle zermarterte ich mir den Kopf nach einer Bemerkung, die kurz genug war, um Mr. Stokowsky zum Zuhören zu veranlassen, und geistreich genug, um sich ihm für ewig einzuprägen. Leider fiel mir nichts ein, aber es machte nichts, denn Mr. Stokowsky sprach nur mit dem Florida-Mann oder hielt die Augen geschlossen.
    Als wir in Seattle eintrafen, stellte sich heraus, daß Mr. Stokowsky, der Florida-Dirigent, der offizielle Vertreter der Regierung und Mr. Morrison an einem Essen teilnehmen würden, während es mir zufiel, ins Büro zu gehen und eine Liste der am Wettbewerb Teilnehmenden für Mr. Stokowsky zu verfertigen.
    Meine Begeisterung für Leopold Stokowsky und sein Jugendorchester war unter den Nullpunkt gesunken, als ich mich am nächsten Morgen zu den letzten Prüfungen in der Musikschule einfand. Diese Prüfungen fanden in Anwesenheit des Dirigenten des Florida-Symphonieorchesters, der Sekretärin des Direktors der Nationalen Jugendverwaltung, Mr. Morrison und mir statt. Leopold Stokowsky erschien in einem zartlila Hemd und rosa Krawatte und war sehr freundlich zu den verschiedenen Kandidaten, wenn er sie ersuchte, sehr schwierige Kompositionen vom Blatt zu lesen. Sobald ein Kandidat die Geige an den Hals hob oder die Lippen spitzte, bedeutete der Floridianer mir aufgeregt, ich solle ein aus weiter Feme dringendes Geräusch zum Verstummen bringen. Ich raste aus dem Saal, rannte drei Treppen hoch und beschwor einen verständnislosen Klavierstudenten in einem abgelegenen Teil der Schule, doch um Himmels willen Ruhe zu halten. «Wissen Sie nicht, wer da ist?»
    So gegen elf Uhr winkte mich Mr. Morrison aus dem Saal und bat mich, alles Nötige für ein gutes Fischessen einzukaufen und ein Mahl für Mr. Stokowsky zu richten. Ich gab siebenundzwanzig Dollar und achtzehn Cents aus und kam beladen mit allen erhältlichen Fischspezialitäten zurück. Dann machte ich mich ans Zubereiten, und einige der Kandidaten trugen dem Floridianer, Mr. Morrison und dem Maestro sowie den Preisrichtern die Speisen auf.
    Nach Tisch spülte ich die Teller, während Mr. Stokowsky entschied, daß die einzige Kandidatin, würdig in seinem Jugendorchester zu spielen, eine junge Musikerin aus dem Symphonieorchester der Stadt Seattle sei. Ihr Instrument war die Viola, und sie war unzweifelhaft eine begabte junge Person, nur entsprach sie nicht dem für die Bewerber vorgeschriebenen Alter.
    Nachdem Leopold Seattle den Rücken gedreht hatte, ersuchte ich unser Hauptbüro, mir die siebenundzwanzig Dollar und achtzehn Cents, die ich für das improvisierte Mittagessen ausgegeben hatte, zurückzuerstatten. Das Hauptbüro übergab die Angelegenheit dem Finanzdepartement, das sich auf den Standpunkt stellte, für eine Sache wie Mr. Stokowskys Mittagessen keine Bezahlung ausfolgen zu können. «Es ist keine Bestellungsorder vorhanden, kein geschriebener Auftrag mit vorher eingeholter Genehmigung und nicht der geringste Beweis, der sich zu den Akten legen läßt.»
    Ich kann mich des Gefühls nicht erwehren, daß mir Leopold Stokowsky zumindest ein Oboesolo schuldet.

17
    Zu dem Zeitpunkt, in dem Mary entschied, daß jeder – und insbesondere Betty – Bücher schreiben kann, war ich verheiratet, lebte auf der Vashon Insel und arbeitete für ein sehr anständiges Gehalt bei einem Bauunternehmer, der Staatsaufträge erhielt.
    Zufällig tauchte damals in Seattle gerade ein guter Bekannter Marys auf, der ihr anvertraute, für einen Verleger tätig und auf der Talentsuche zu sein. Er erkundigte sich ausgerechnet bei meiner Schwester, ob sie keine begabten Autoren hier im Nordwesten kenne. Mary kannte keine, also antwortete sie nach bewährtem Muster: «Natürlich! Meine Schwester Betty! Sie ist unheimlich begabt, aber ich weiß nicht, wie weit ihr Buch gediehen ist.» (Es war so weit gediehen, daß ich nicht einmal den Gedanken erwogen hatte, überhaupt ein Buch zu schreiben.) Der Talentsucher meinte, wie weit das Buch gediehen sei, spiele keine Rolle, wichtig sei nur, ob ich wirklich begabt sei. «Ob ich begabt sei?» Ich sei so begabt, daß ich
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