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Betty kann alles

Titel: Betty kann alles
Autoren: Betty McDonald
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kaum aufrecht gehen könne, erklärte Mary ohne zu zögern, und sie schlug vor, eine Verabredung mit mir zu treffen, damit der Verlagsvertreter sich mit mir unterhalten könne. Sie setzte für diese denkwürdige Begegnung fünf Uhr nachmittags des gleichen Tages fest, und um ein Viertel vor fünf Uhr rief sie mich an.
    «Forrest ist in der Stadt, Betty», verkündete sie mir, «und er sucht für einen Verlag Autoren des Nordwestens, und da habe ich ihm natürlich von dir erzählt. Um fünf Uhr sollst du ihn im Hotel Olympic treffen, um über dein neues Buch mit ihm zu sprechen.»
    «Über was?» rief ich.
    «Über dein neues Buch», wiederholte Mary überlegen. «Du wolltest immer gern schreiben, Betsylein, und du weißt selbst, daß du überaus begabt bist.»
    «Was für ein Unsinn», rief ich ins Telefon. «Außer ein paar blöden Kurzgeschichten und Erzählungen für Kinder und ‹Sandra ergibt sich› und meinem Tagebuch, als ich Tuberkulose hatte, habe ich nie in meinem Leben etwas geschrieben.»
    «Das ist die Chance deines Lebens, Betty, vertrödle nicht die Zeit mit dummen Reden.»
    «Genau das gleiche hast du mir einzureden versucht», erwiderte ich hitzig, «als du mich als erfahrene Buchhalterin, als Illustratorin von Broschüren der Standard Oil und als Pfirsichpflückerin und als was weiß ich noch alles verheuern wolltest.»
    «Dein größter Fehler ist, daß du nicht imstande bist, den richtigen Maßstab an die Dinge zu legen», erklärte Mary. «Anstatt deine Geistesgaben zu benützen, um ein Buch zu schreiben und fünfzigtausend Dollar im Jahr zu verdienen, bestehst du darauf, bei einer mittelmäßigen Firma in mittelmäßiger Stellung für ein mehr als mittelmäßiges Gehalt zu arbeiten. Wann wirst du endlich einmal Vernunft annehmen?»
    «Ich weiß es nicht», entgegnete ich zerstreut, weil ich mich in Gedanken fragte, ob das Mädchen vom Haupttelefon wohl das Gerede über die Mittelmäßigkeit der Firma belauschte und ob es einen Sinn hatte, Mary darauf aufmerksam zu machen, daß die meisten der Stellungen, die ich durch sie erhalten hatte, als unbezahlt gelten konnten, wenn mein jetziges Gehalt in ihren Augen mittelmäßig war.
    «Ich habe für dich eine Verabredung mit Forrest um fünf Uhr im Hotel Olympic getroffen», wiederholte Mary.
    «Aber ich kann nicht schreiben!» protestierte ich.
    «Natürlich kannst du schreiben, überhaupt, wenn du dir klar machst, daß sich sämtliche Verleger der Vereinigten Staaten alle zehn Finger abschlecken nach Büchern aus dem Nordwesten.»
    «Das ist mir ganz neu», entgegnete ich trocken.
    «Wir leben hier auf dem letzen Vorposten der Vereinigten Staaten», erläuterte Mary dramatisch. «Wenn du den Leuten in New York erzählst, daß die Salme uns hier geradezu über der Veranda ins Haus gewatschelt kommen und nach unseren Füßen schnappen, würden sie es dir glauben. Die Mehrzahl der Amerikaner ist der Meinung, daß wir hier im Nordwesten in ewigem Winter wie in der Antarktis leben oder noch in Felle gekleidet herumlaufen und Indianerüberfälle auszufechten haben. Es ist weiß Gott höchste Zeit, daß jemand mal die Wahrheit über diesen Teil des Landes schreibt.»
    «Wenn ich meine Erfahrungen aus dem Gebirge wiedergebe, dann kann ich nur bestätigen, daß die Salme einem nach den Füßen schnappen und es wirklich noch Indianer gibt.»
    «Schreib, was du willst, aber benütze deinen Kopf und dein Talent endlich einmal!»
    Die ständige Wiederholung der Behauptung, ich hätte solch großes Talent, verfehlte ihre Wirkung auf die Dauer nicht. Es war eine schmeichelhafte Vorstellung, an meinem mit unkontrollierten Rechnungen bedeckten Schreibtisch zu sitzen und zu wissen, daß die vereinten Verleger Amerikas mit Schaum vor dem Mund vor Ungeduld darauf warteten, von mir über den Nordwesten aufgeklärt zu werden.
    «Wann soll ich im Olympic sein?» erkundigte ich mich, milder gestimmt.
    «Um fünf Uhr. Du hast nur noch fünf Minuten.»
    Während ich mir die Nase puderte, die Lippen schminkte und meinen Hut aufsetzte, erzählte ich einem der Mädchen im Büro, daß ich mich beeilen müsse, um einen Vertreter meines Verlegers im Hotel Olympic zu sprechen, der über mein neues Buch Bescheid wissen wollte. «Himmel, Betty! Sie schreiben ein Buch?» rief das Mädchen bewundernd.
    «Ja», sagte ich mit der Selbstverständlichkeit, die großes Talent einem verleiht. «Und dieser Verlagsvertreter ist den weiten Weg von New York hierhergekommen, nur, um mit mir über
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