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Betty kann alles

Titel: Betty kann alles
Autoren: Betty McDonald
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Aufforderung, ihnen alles zu schicken, was ich an Material hatte.
    In meiner Verzweiflung rief ich Mary an.
    «Na, du Dickschädel, bist du nun endlich überzeugt, daß du schreiben kannst, oder reißt du dich immer noch darum, in einem stickigen kleinen Büro zu sitzen?» war ihre Erwiderung.
    Wir lachten beide, und dann sagte Mary, und ich sah förmlich ihre zusammengebissenen Zähne vor mir, obwohl sie viele Meilen entfernt war: «Ich bin sicher, daß dein Buch ein Schlager wird und sie dich nach Hollywood und New York holen werden.»
    «Nicht nach Europa?» wandte ich ein.
    «Wart's nur ab, du wirst's schon noch erleben!»
    Bevor ich das Telegramm von Brandt & Brandt noch beantwortet hatte, traf ein Luftpostbrief der gleichen Firma ein, in dem mir mitgeteilt wurde, daß der J. B. Lippincott Verlag gewillt sei, auf Grund des Exposés die Verlagsrechte für mein Buch zu erwerben. Ich wurde höflich angefragt, ob ich bereit sei, fünfhundert Dollar als Vorschußzahlung anzunehmen. Ob ich bereit war? Ich hätte auch fünfzig Cents Vorschußzahlung jubelnd akzeptiert.
    Meine nächste schwerwiegende Erfahrung über das Dasein eines Schriftstellers machte ich im nächsten Frühjahr, als ich miterlebte, daß die schlimmste Zeit im Leben eines Verfassers die Periode zwischen Annahme und Herausgabe seines Werkes ist.
    Ich beschloß, mich wieder nach einer Stellung umzusehen, am besten nach einer, wo ich den lieben langen Tag nichts anderes zu tun hatte, als stets dieselbe Karte abzulegen. Es gelang mir, einen meinen Erwartungen annähernd entsprechenden langweiligen Posten zu bekommen. Eines Abends, als ich müde heimkam, rannte mir meine Tochter Anne entgegen und rief mir schon von weitem zu: «Es ist ein Telegramm für dich da, und du sollst Seattle anrufen und die Telefonzentrale, Stelle achtundzwanzig verlangen.» Das ist das Ende, dachte ich zermürbt. Sie haben sich entschlossen, das Buch doch nicht herauszugeben, und verlangen den Vorschuß zurück. «Schnell, Betty», drängte meine Tochter. «Rufe an und frage nach dem Telegramm.» «Nein», erwiderte ich. «Ich vertrage schlechte Nachrichten besser auf vollem Magen.»
    Nach Tisch rief ich die Telefonzentrale an, und der Flüsternde Sam, wie der Beamte allgemein genannt wurde, der zu jener Zeit die Telegramme nach der Vashon Insel durchgab, bevor er die Originale kurzerhand verbrannte, las mir ein langes Telegramm vor, von dem ich nur ungefähr zehn Wörter auffing. Einige davon waren ‹Feuilletonabdruck und Monatszeitschrift›.
    Ich rief Mary an, und Mary telefonierte zur Western Union, der die Telegrammbestellung oblag, und gab mir wenige Minuten später schon Bescheid. Ich solle am nächsten Morgen um acht Uhr Boston anrufen, und meine Schwester riet mir, vorsichtshalber das Original des Telegramms bei der Western Union abzuholen und mich damit zu beeilen, da die Gesellschaft nur mit größter Mühe davon abzubringen war, die wichtige Mitteilung sofort und unwiderruflich zu verbrennen. Die nächste Fähre setzte in sechzehn Minuten zum Festland über. Ich schickte Joan und Anne zu meiner Schwester Alison und rannte keuchend zum Hafen hinunter.
    Das Hauptbüro der Telegrammgesellschaft befindet sich in einer dunklen Seitenstraße des Finanzbezirks von Seattle. Während ich aus dem Autobus stieg und die regennassen leeren Straßen hinunterging, mußte ich immer wieder denken: «Dies ist der wichtigste Augenblick deines Lebens. Du mußt dich später an alles erinnern können.» Ich kam mir wie verzaubert vor und hatte das Gefühl, bei jedem Schritt eine Leuchtspur zu hinterlassen. Mein Gang war beschwingt und lautlos, und mir war, als schwebe ich in das Büro der Telegrammgesellschaft. Ich las das Telegramm stehend und schwebte dann zurück auf die Straße und zu meiner Schwester Mary.
    Ich versuchte, ihr das sonderbare Gefühl der Verzauberung zu schildern, das mich erfüllte.
    «Du bist selig, weil du Erfolg hast», erwiderte sie. «Aber stell dir vor, wie mir zumute ist. Plötzlich sind alle meine großmäuligen Lügen Wahrheit geworden!»

Fußnote

    1
    Titelheldin eines Romans (1894) von George du Maurier. Trilby, ein Pariser Modell, wird unter dem hypnotischen Zwang des österreichischen Juden Svengali zur berühmten Sängerin.
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