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Dead Man's Song

Dead Man's Song

Titel: Dead Man's Song
Autoren: Troll Trollson
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1
     
    »Er hatte Herzprobleme«, erklärte die Frau Carella.
    Was vielleicht eine Erklärung für die winzigen, stecknadelkopfgroßen Blutergüsse in den Augäpfeln des Toten war. Bei akutem Versagen der rechten Herzhälfte kam es oft zu solchen Blutungen. Die graublauen Füße, die unter dem Laken hervorschauten, waren eine ganz andere Sache.
    »Er hat davon gesprochen, daß er sich in den letzten Tagen nicht sehr gut gefühlt hat«, erzählte die Frau. »Ich hab ihm gesagt, er solle endlich zum Arzt gehen. Ja, ja, ich geh schon, meinte er. Dann kam ich heute morgen vorbei, um zu sehen, wie es ihm geht, und hab ihn so gefunden. Im Bett. Tot.«
    »Und dann haben Sie die Polizei gerufen«, sagte Meyer und nickte.
    Weil er sich an diesem Vormittag eigentlich ein Drogenlabor hatte vornehmen wollen, trug er Bluejeans, ein Sweatshirt und Reeboks. Statt dessen war er mit Carella losgeschickt worden, und da war er nun. Mitten im Verhör einer Frau, die seines Erachtens log. Stämmig und kahlköpfig, wie er war, stellte er seine Fragen mit sprichwörtlich blauäugiger Unschuldsmiene, so, als hätte er keine Handgranate in petto.
    »Ja«, antwortete sie, »dann habe ich die Polizei gerufen. Das war das erste, was ich tat.«
    »Sie wußten sofort, daß er tot war?«
    »Nun … ja. Ich konnte sehen, daß er nicht mehr atmete.«
    »Sie haben nicht seinen Puls gefühlt oder ihn anderweitig untersucht, nicht war?« fragte Carella.
    Er war lange nicht mehr so schlank und fit gewesen - seit seinem vierzigsten Geburtstag hatte er sechs Pfund abgespeckt - und trug dunkelblaue Hosen, ein graues Cordsakko, ein kariertes Sporthemd und eine dunkelblaue Strickkrawatte. Um kurz nach zehn an diesem Vormittag hatte er nicht mit einem solchen Einsatz gerechnet. Eigentlich hatte er für Viertel nach zehn im Dienstzimmer eine Vernehmung des Opfers eines Einbruchdiebstahls angesetzt. Statt dessen war auch er hier und redete mit einer Frau, von der er ebenfalls glaubte, daß sie log.
    »Nein«, sagte sie. »Also, ja. Na ja, nicht den Puls. Aber ich habe mich über ihn gebeugt. Um nachzusehen, ob er noch atmete. Aber ich konnte erkennen, daß er tot war. Ich meine … sehen Sie ihn doch mal an.«
    Der Tote lag auf dem Rücken. Eine Decke war über ihn gebreitet. Augen und Mund standen offen, die Zunge hing ihm aus dem Mund. Carella betrachtete ihn wieder. Mitleid und Trauer brannten einen Moment lang in seinen Augen. In Situationen wie diesen fühlte er sich besonders verwundbar, und wie so oft fragte er sich auch jetzt, ob er nicht doch zu empfindlich für diesen Job war, der ihn ständig mit dem Tod konfrontierte.
    »Dann haben Sie die Polizei gerufen«, wiederholte Meyer.
    »Ja. Ich sagte der Frau am Telefon…«
    »Haben Sie die 911 angerufen? Oder direkt die Nummer des Reviers?«
    »911. Die Nummer des Reviers kenne ich nicht. Ich wohne nicht hier.«
    »Sie haben der Telefonistin erzählt, Sie hätten die Wohnung Ihres Vaters betreten und ihn tot vorgefunden. Ist das so richtig?«
    »Ja.«
    »Um wieviel Uhr war das, Miss?«
    »Kurz nach zehn heute vormittag. Übrigens, es heißt Mrs.«, sagte sie in einem fast entschuldigenden Tonfall.
    Carella warf einen Blick auf die Uhr. Sie zeigte zwanzig vor elf. Er fragte sich, wo der amtliche Leichenbeschauer blieb. Sie durften hier nichts berühren, bis der Leichenbeschauer das Opfer amtlich für tot erklärte. Er wollte sich den Rest des Körpers ansehen. Wollte sehen, ob die Beine zu den Füßen passten.
    »Mrs. Robert Keating«, sagte die Frau. »Nun, Cynthia Keating, um genau zu sein.«
    »Und der Name Ihres Vaters?« fragte Meyer.
    »Andrew. Andrew Haie.«
    Besser, wenn Meyer jetzt weitermacht, dachte Carella. Ihm waren dieselben Dinge aufgefallen wie Carella. Auch er kannte die verräterischen Anzeichen eines Todes durch Erhängen, wofür in diesem Fall auf den ersten Blick vieles sprach. Allerdings konnte man sich kaum selbst erhängen, wenn man keine Schlinge um den Hals hatte und auf dem Rücken in einem Bett lag.
    »Können Sie uns sagen, wie alt er war?«
    »Achtundsechzig.«
    »Und er hatte Probleme mit dem Herzen?«
    »Zwei Herzinfarkte während der letzten acht Jahre.«
    »Schwere?«
    »Oh, ja.«
    »Bypässe?«
    »Nein. Zwei Angioplastien. Aber sein Zustand war sehr ernst. Beide Infarkte waren beinahe tödlich.«
    »Und er hatte ständig Probleme?«
    »Also… nein.«
    »Sie sagten, er hätte Probleme mit dem Herzen.«
    »Zwei schwere Infarkte in acht Jahren, das dürften Herzprobleme
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