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Betty kann alles

Titel: Betty kann alles
Autoren: Betty McDonald
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der Nationalen Jugendverwaltung verbrachte, sind fragmentarisch, aber soweit sie erhalten sind, sehr lebhaft.
    Ich werde zum Beispiel nie die tüchtige junge Sekretärin vergessen, die nach einer mehrwöchigen unerklärten Abwesenheit erschien, in einen schwarzen Seidenmantel mit Pelzverbrämung gekleidet in mein Büro kam und erklärte: «Ich möchte von meiner Stelle zurücktreten. Ich habe eine Anstellung in der Privatindustrie gefunden.» Sie lächelte mich glücklich an.
    «Wie schön, Muriel», sagte ich erfreut. «Was werden Sie denn tun?»
    «Ich helfe einer Dame.»
    «Ach, also Hausarbeit?»
    «Nein, nicht gerade Hausarbeit, aber ich muß mich selbst um mein Zimmer kümmern.»
    «Ich trug auf die Karte Muriels ein: «Grund des Fortgehens private Stellung. Hausarbeit.»
    Zwei Tage später teilte mir eine Polizeibeamtin mit, daß Muriel sich als Prostituierte betätige und sich zur ärztlichen Untersuchung gemeldet habe. Ich änderte die Eintragung auf Muriels Karte, aber ich konnte ihr nicht böse sein. Mir hatte die Stenographie auch nie besondere Freude bereitet.
    Es war mein Glück, daß der Beamte, dem die Organisation der Auswahl der Mitglieder für Leopold Stokowskys Jugendorchester oblag, ein gewisser Mr. Morrison war, der an Seattles bedeutendster Musikschule tätig gewesen war, bevor er zum Nationalen Jugendamt kam, und daher etwas von Musik verstand.
    Kaum waren die ersten Ankündigungen von dem Plan des Jugendorchesters in der Öffentlichkeit erschienen, wurden wir von Musiklehrern in Schlapphüten oder Lehrerinnen mit wehenden Capes und stark ausländischem Akzent bestürmt, ihre genialen Schüler anzuhören. Die Aufnahmeprüfungen sollten in einer Schule stattfinden, was in allen schriftlichen Ankündigungen, sowie im Radio bekanntgegeben wurde; aber trotzdem bedrängten uns Mütter mit ihren Sprößlingen und den verschiedenen von den Sprößlingen beherrschten Instrumenten im Büro.
    Ich war dankbar dafür, daß das Alter der Teilnehmer von vierzehn bis zu vierundzwanzig Jahren begrenzt worden war. Auf diese Weise blieben einem wenigstens die unzähligen neunjährigen Darleens mit ihren glasperlengespickten Akkordeons und die siebenjährigen Rudis in Samtanzügen und mit Violinsoli, einen viertel Ton zu tief, erspart.
    Der Kreis der zum Vorspielen vor Leopold Stokowsky Zugelassenen wurde immer mehr beschränkt.
    Ich war sehr beeindruckt von der Wichtigkeit der Arbeit, die ich für den großen Stokowsky zu verrichten die Ehre hatte, und wenn ich daran dachte, daß ich ihn persönlich kennenlernen würde, wurden mir die Knie schwach. Wohin ich auch ging und mit wem ich auch sprach, lenkte ich das Gespräch auf Stokowsky und versuchte den Eindruck zu erwecken, als sei ich Leopolds persönliche Vertreterin in diesem Teil des Landes.
    Da Stokowsky berühmt war, eine sehr ermüdende Reise hinter sich hatte und Menschenmengen haßte, hatte er beschlossen, den Zug bereits in Tacoma zu verlassen. Mr. Morrison und ich waren dazu auserwählt, den großen Mann im Wagen von Tacoma abzuholen und nach Seattle zu geleiten. Mir war vor Aufregung ganz schlecht. Schon die Vorstellung, mit Stokowsky dreißig Meilen im gleichen Wagen zu fahren und sich völlig ungezwungen mit ihm zu unterhalten, ihm zu berichten, was es bei den Prüfungen an komischen Zwischenfällen gegeben hatte und dann in sein Lachen einzustimmen, raubte mir den Atem. Ich ging in meiner Einbildung so weit, mir auszumalen, wie es sein würde, wenn der Maestro am Ende der Fahrt zu mir sagte: ‹Ich könnte eine Sekretärin auf meiner Reise brauchen, Miss Bard. Glauben Sie, daß die Nationale Jugendverwaltung Sie ein Weilchen entbehren könnte?›
    Als endlich der große Augenblick da war, gab Mr. Morrison den bei den Garagen der Jugendverwaltung beschäftigten jungen Leuten den Auftrag, das beste vorhandene Modell, einen 1923 Reo, bereit zu machen.
    Das 1923-Modell hatte keine Heizung, aber die jungen Leute hatten vorsorglich zwei aus irgendwelchen Jugendlagern übriggebliebene Armeewolldecken in den Fond gelegt.
    Der Bahnhof von Tacoma, der unterhalb der Landstraße liegt, war nicht nur dunkel und vom Regen naß, sondern auch völlig verlassen. Ein offizieller Vertreter des Staates stand mit uns am Bahnhof, und dreiviertel Stunden stampften wir von einem Bein aufs andere, rauchten Zigaretten und wunderten uns, wo Leopold Stokowsky blieb, was wohl mit ihm geschehen war, und ob man uns zur Verantwortung ziehen würde.
    Endlich, mit reichlich viel
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