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Jhereg

Jhereg

Titel: Jhereg
Autoren: Steven Brust
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PROLOG
     
     
    Es gibt eine Ähnlichkeit, wenn ich mir einen kleinen Ausflug in die Welt dürftiger Vergleiche erlauben darf, zwischen dem Gefühl eines kalten Windhauchs und dem einer Messerklinge im Nacken. An beide kann ich mich erinnern, wenn ich mich anstrenge. Fraglos wird der Gedanke an den Windhauch der angenehmere sein. Zum Beispiel …
    Ich war elf Jahre alt und räumte gerade die Tische in der Schenke meines Vaters ab. Der Abend war ruhig, und nur ein paar Plätze waren besetzt. Eben war eine Gruppe gegangen, und ich ging hinüber, wo sie gesessen hatten.
    Der Ecktisch war ein Schlachtfeld. Ein Mann, eine Frau. Beides Dragaeraner, klar. Aus irgendeinem Grund verirrte sich nur selten ein Mensch in unseren Laden; vielleicht weil wir auch Menschen sind und sie nicht auch ausgegrenzt werden wollen oder so. Mein Vater hat es immer vermieden, mit anderen aus dem »Ostreich« Geschäfte zu machen.
    An dem Tisch hinten an der Wand saßen drei Personen. Alle männlich und Dragaeraner. Ich stellte fest, daß auf dem Tisch, den ich abräumte, kein Trinkgeld lag, und hörte hinter mir ein Keuchen.
    Gerade wandte ich mich um, als einer der drei mit dem Kopf auf den Teller mit Lyornschenkel und rotem Paprika knallte. An dem Tag hatte mein Vater mich zum erstenmal die Sauce dafür zubereiten lassen, und verrückterweise war mein erster Gedanke, daß ich vielleicht etwas falsch gemacht hatte.
    Die beiden anderen erhoben sich geschmeidig, es schien ihnen völlig egal, was ihrem Freund zugestoßen war. Sie bewegten sich zur Tür, und mir wurde klar, daß sie ohne zu zahlen verschwinden wollten. Ich suchte meinen Vater, doch der war hinten in der Küche.
    Also warf ich noch einen Blick auf den Tisch und überlegte, ob ich dem Typen helfen sollte, der sich verschluckt hatte, oder die beiden aufhalten, die die Zeche prellen wollten.
    Da sah ich das Blut.
    Ein Dolch steckte bis zum Heft in der Kehle des Mannes, der mit dem Gesicht auf dem Teller lag. Langsam dämmerte mir, was da geschehen war, und ich entschied, Nein, du wirst die beiden Herren, die gehen wollten, nicht nach dem Geld fragen.
    Nicht, daß sie gelaufen wären oder sich übermäßig beeilt hätten. Zügig und ruhig gingen sie an mir vorbei zur Tür. Ich war wie erstarrt. Wahrscheinlich habe ich nicht einmal mehr geatmet. Plötzlich war das Geräusch meines schlagenden Herzens sehr deutlich zu hören.
    Direkt hinter mir blieb jemand stehen. Ich war wie versteinert, aber in Gedanken rief ich Verra, die Dämonengöttin.
    In diesem Augenblick berührte etwas Kaltes und Festes meinen Nacken. Ich war so gelähmt, daß ich nicht einmal zusammenzucken konnte. Wenn ich gekonnt hätte, hätte ich die Augen geschlossen. Statt dessen stierte ich nach vorn. Damals ist mir das nicht richtig bewußt gewesen, aber die Dragaeranerin hat mich angesehen und sich dann erhoben. Das habe ich erst bemerkt, als ihr Begleiter sie aufhalten wollte und sie seine Hand wegstieß.
    Dann sprach eine sanfte, beinahe seidige Stimme in mein Ohr. »Du hast überhaupt nichts gesehen«, sagte sie. »Klar?« Hätte ich damals schon die Erfahrung gehabt, über die ich heute verfüge, dann hätte ich gewußt, daß ich nicht wirklich in Gefahr schwebte – wenn er die Absicht gehabt hätte, mich umzubringen, wäre ich längst tot gewesen. Das hab ich aber nicht gewußt, also zitterte ich am ganzen Körper. Ich dachte, ich müßte nicken, aber es ging nicht. Mittlerweile war die Dragaeranerin fast bei uns, und ich nehme an, der Typ hinter mir hat sie bemerkt, weil die Klinge plötzlich weg war, und ich hörte sich entfernende Schritte.
    Ich habe gezittert wie Espenlaub. Sanft legte das Dragaeranermädchen mir die Hand auf die Schulter und sah mich voller Mitgefühl an. So einen Blick hatte ich noch nie von einem Dragaeraner gesehen, und auf eine ganz eigene Art und Weise war dies ein Erlebnis, das fast genauso furchterregend war wie das vorangegangene. Um ein Haar hätte ich mich in ihre Arme fallen lassen, aber ich konnte mich gerade noch beherrschen. Da hörte ich sie leise und beruhigend auf mich einreden. »Ist ja gut, sie sind weg. Dir passiert nichts. Ganz ruhig, alles ist gut …«
    Mein Vater kam aus dem andern Zimmer hereingestürzt.
    »Vlad!« schrie er. »Was ist hier los? Wieso –«
    Er verstummte, sah die Leiche. Ich hörte ihn kotzen, und ich schämte mich für ihn. Da griff die Hand an meiner Schulter fester zu. Ich merkte, daß ich aufhörte zu zittern, und sah das Mädchen vor
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