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Betty kann alles

Titel: Betty kann alles
Autoren: Betty McDonald
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Bogen Papier ein und versuchte, eine einigermaßen bequeme Lage für mein gebrochenes Bein zu finden.
    Ich durchwanderte einige Abteilungen des Finanzamts und hatte beinahe ein Jahr in diesem Verwaltungszweig gearbeitet, als es Zeit wurde, an meine weihnachtlichen Glückwunschkarten zu denken. Ich entwarf eine hübsche kleine Zeichnung, kaufte einen Riesenstapel Papier, das Wasserfarbe annahm, erbat mir vom Büroleiter die Erlaubnis, den Vervielfältigungsapparat zu benützen, und blieb eines Abends nach der Arbeit mit meiner Freundin Katherine zurück, um meine Weihnachtskarten zu vervielfältigen. Das von mir gekaufte Papier erwies sich als zu dick, um es einfach durchlaufen zu lassen. Wir mußten Bogen für Bogen mit der Hand einlegen, und als die fünfhundert Karten, die zu kolorieren ich nie Zeit finden würde und die die Zahl meiner zu beglückwünschenden Freunde und Bekannten weit überstieg, fertig waren, lag das ganze Gebäude in Dunkelheit, es war nach Mitternacht, und die Türhüter und Wachtmänner waren längst heimgegangen.
    Als ich am nächsten Morgen mit einer meiner Karten zum Beweis meiner künstlerischen Tätigkeit im Büro erschien, empfingen mich ausweichende Blicke und flüsternd geführte Unterhaltungen.
    «Was um Himmels willen ist denn geschehen?» fragte ich erstaunt und darauf gefaßt, von einer ans Licht gekommenen Riesenunterschlagung oder dergleichen zu hören.
    «In der letzten Nacht muß eingebrochen worden sein. Die Einbrecher haben den Vervielfältigungsapparat benützt», wisperte mir eine verängstigte Kollegin zu.
    «Unsinn», wehrte ich ab. «Ich habe den Apparat benützt. Der Abteilungsleiter hat es mir erlaubt. Ich werde es gleich melden.»
    «Lieber nicht», riet sie. «Sie halten unten eine Konferenz ab, und es herrscht große Aufregung.»
    In diesem Augenblick betrat der Abteilungsleiter unser Büro. Er sah blaß und ängstlich aus. «Sagen Sie um Himmels willen nicht, daß ich Ihnen die Erlaubnis gegeben habe», stieß er hervor.
    «Schön, ich werde es nicht sagen. Aber warum denn nicht?»
    «Sie sitzen unten und halten eine Beratung ab. Sicher werden sie bald nach Ihnen schicken.»
    Ich brauchte nicht lange zu warten. Man präsentierte mir den Beweis für meine Tätigkeit: eine schlecht abgezogene Weihnachtskarte mit der Aufschrift «Fröhliche Weihnachten und ein gutes neues Jahr wünscht Betty Bard.»
    «Was haben Sie dazu zu sagen?» fragte man mich ernst.
    «Es ist meine Weihnachtskarte», gab ich zu. «Ich blieb gestern nach der Arbeit hier und habe die Karten auf unserem Apparat vervielfältigt.»
    Der für Vervielfältigungen zuständige Beamte sah mich streng an. «Das ist ein schlimmer Verstoß, Miss Bard. Der Vervielfältigungsapparat ist Regierungsbesitz, und Regierungsbesitz darf nicht für private Zwecke benützt werden.»
    «Es tut mir sehr leid, ich hatte keine Ahnung, daß das verboten ist», sagte ich reumütig.
    «Daß es Ihnen leid tut, genügt nicht», entgegnete der Beamte.
    «Ich bezahle halt für die Benützung und für das Material», schlug ich vor.
    «Ich kann keine Bezahlung annehmen, weil keine Bestellungsorder vorliegt und Sie auch keine Erlaubnis haben, eine Bestellung bei der Regierungsverwaltung anzufordern.»
    «Tja, was soll denn geschehen?» fragte ich.
    Er war so ernst und betrachtete den Zwischenfall als dermaßen schwerwiegend, daß ich einen Augenblick dachte, er würde gleich eine Pistole auf den Tisch legen, den Raum verlassen und von mir erwarten, daß ich den einzigen ehrenhaften Ausweg einschlage. Aber ich irrte mich. Er sah nachdenklich zum Fenster hinaus, daraufhin klirrte er mit den Münzen in seiner Tasche, und nach einer langen Pause sagte er: «Das einzige, was zu tun bleibt, ist, die ganze Sache zu vergessen. Ich werde mich verhalten, als sei nichts vorgefallen. Aber… versprechen… Sie… mir… daß… nie… mehr… etwas … derartiges… geschieht… solange… Sie… beim… Finanzamt … sind!»
    Es bereitete mir außerordentliche Freude, jedem einzelnen Angestellten des Finanzamtes eine meiner Weihnachtskarten zu schicken. Viele der Adressaten kannte ich nicht einmal. Ich stellte mir vor, wie die erschrockenen Empfänger die Karten heimlich verbrannten und die Asche in Blumentöpfen vergruben.
    Einige Zeit später hatte ich einen Zusammenbruch, und man stellte Tuberkulose fest. Nach meiner Genesung begann ich meine Tätigkeit für die Nationale Jugendverwaltung.
    Die Erinnerungen an die drei Jahre, die ich bei
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