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Der Gefangene von Zhamanak

Titel: Der Gefangene von Zhamanak
Autoren: Lyon Sprague de Camp
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1
     
    Ehre
     
    A uf dem Rasenplatz im Zentrum des abgeschlossenen Bereichs von Novorecife, dem terranischen Raumhäfen auf dem Planeten Krishna, wogte eine Party. Die einheimischen Alkoholika, Kvad und Falat, flossen reichlich.
    Aus dem Verwaltungsgebäude trat Herculeu Castanhoso, der eichhörnchenähnliche kleine Stellvertretende Sicherheitsoffizier, in der Hand ein Dokument, im Gesicht einen Ausdruck der Besorgnis. Sein Blick schweifte hurtig über das festliche Treiben, auf der Suche nach den Vorgesetzten, denen er diesen jüngsten Ärger melden musste.
    Er sah Ivar Heggstad, den Trainer, wie er gerade in seinem, gebrochenen Gozashtando mit norwegischem Akzent auf eine krishnanische Angestellte des Raumhafens einredete. Als Turn- und Sportfanatiker, der er von Berufs wegen war, trank Heggstad nur Fruchtsaft; aber für diese Enthaltsamkeit entschädigte er sich um so ausgiebiger auf anderen Gebieten.
    Richter Ram Keshavachandra, ein schmächtiger Mann mit graugelocktem Haarkranz um den kahlen braunen Kopf, unterhielt sich angeregt mit Masanobu Ishimoto, einem vierschrötigen, schwerzüngigen Japaner, der frisch zum neuen Konsul in Baianch, der Hauptstadt des Kaiserreiches Dur, ernannt worden war.
    Schließlich blieb Castanhosos schweifender Blick auf dem gewellten Silberhaar von William Desmond Kennedy haften, dem scheidenden Comandante. Direkt neben Kennedy entdeckte Castanhoso die plumpe Gestalt seines unmittelbaren Vorgesetzten, Cristovao Abreus, des ebenfalls scheidenden Obersten Sicherheitsoffiziers. Castanhoso fasste das Dokument ein wenig fester und steuerte zielstrebig auf das letzte Paar zu.
    Kennedy sagte gerade zu Abreu: »Cris, das gefällt mir gar nicht, wirklich gar nicht.«
    Abreu schaute in die Richtung, in die Kennedys Finger deutete. »Du meinst, dass unser neuer Comandante … ganz schön embriagado ist, eh? … ihr würdet wohl besoffen sagen, nicht?« Er deutete mit dem Kinn auf einen untersetzten, kahlköpfigen Mann mit einem gewaltigen lenkstangenförmigen Schnauzbart, der mit einem Glas goldgelben Kvads in der Hand inmitten einer Gruppe weiblicher Angestellter des Raumhafens stand – sowohl Terranerinnen als auch Krishnanerinnen. Dieser Mann, der designierte Comandante Boris Glumelin, hatte sein besonderes Augenmerk auf Kristina Brunius gerichtet, die hochgewachsene honigblonde Sekretärin. Oswaldo Guerra, Kristinas fester Verehrer, stand abseits und starrte verdrießlich vor sich hin.
    »Pois sim«, sagte Kennedy. »Keiner hat uns gewarnt, dass die WF uns einen Saufbold als Ablösung für mich schicken würde.«
    Abreu stieß einen Seufzer aus. »Wollen wir hoffen, dass das nur ein einmaliger Ausrutscher ist. Alle mochten Senhor Glumelin, als er vor vier Monaten hier ankam. Die Arbeit, die wir ihm gaben, hat er jedenfalls immer ordentlich erledigt. Wenn was nicht klappte, sagte er bloß ›Eto nitschje-vo!‹ und nahm sich den nächsten Vorgang vor. Nun ja, aber das ist jetzt Herculeus Problem.«
    »Scheint, dass Gorschakow versucht, ihn aus der Schusslinie zu holen«, sagte Kennedy. Afanasij Gorschakow, der hünenhafte, stets finster dreinblickende schwarzhaarige Zollinspektor hatte Glumelin beim Ellbogen gefasst und sagte ihm etwas ins Ohr. Einige Fetzen schweren, gutturalen Russischs drangen ans Ohr der Beobachter. Gleich darauf führte Gorschakow Glumelin mit sanftem Druck fort.
    Abreu wedelte mit dem plumpen Zeigefinger. »Diesen Gorschakow muss man im Auge behalten. Der ist machthungrig. Wir sollten uns mal mit Keshavachandra unterhalten. Er scheidet erst nächstes Jahr aus, und als Richter ist er, wenn wir weg sind, der. einzige, der über Autorität verfügt. Ja, Herculeu?«
    Castanhoso hatte noch immer denselben gequälten Gesichtsausdruck, den er schon beim Verlassen des Gebäudes aufgesetzt hatte. »Seniores«, sagte er spannungsschwanger, »ich muss euch etwas mitteilen. Es ist gerade was von Gorbovast reingekommen.«
    »Eh?« grunzte Kennedy. »Vielleicht der Kopf von noch so einem verrückten terranischen Missionar, eingelegt in Salz?«
    Castanhoso schüttelte den Kopf. »Hier! Lesen Sie, por favor.« Er reichte dem Comandante ein Blatt aus gelbem Krishnapapier, auf dem ein Text im Brasilo-Portugiesisch der von Brasilien beherrschten terranischen Raumfahrtorganisation, den Viagens Interplanetarias, stand, aber in spinnenartig verschnörkelter krishnanischer Handschrift. Er lautete:
     
    An den höchst erlauchten Senhor W. D. Kennedy,
    Comandante
    Raumhafen
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